A JEWISH ODYSSEY

EXIL MUSIK 9618-2
LC 08972

DISTRIBUTION: INDIGO

Die "Odysseys" bilden eines der spannendsten Kapitel in der Geschichte des New Yorker Labels Putumayo World Music, das kürzlich seine 50. Veröffentlichung feiern konnte. Ob Streifzüge zwischen Keltenreich und Westafrika oder eine Rundreise durch mediterrane und arabische Gefilde, stets halten die musikalischen Abenteuerfahrten neue, unentdeckte Klänge parat und überraschen durch die Offenbarung geheimer Verwandtschaften. Die bewegte und bewegende Geschichte der jüdischen Musik hat im Rahmen dieser Reihe natürlich einen Ehrenplatz verdient. Seit 2000 Jahren verkörpert sie eine Mélange von osteuropäischem, mediterranem und nordafrikanischem Kulturgut und ist immer noch dabei, neue Fusionen auszuloten. Mit A Jewish Odyssey brechen wir auf, um dem Weg der Klezmertradition der Ashkenazy-Juden zwischen Osteuropa und dem Big Apple nachzuhorchen, um den weitverzweigten Pfaden der Sepharden von Spanien zum Balkan und in alle Welt zu folgen, um eigentümlich archaische Melodien sowie feierliche und fröhliche Folklore in ihrer Begegnung mit Modernem aus den weltweit anzutreffenden Enklaven der heutigen jüdischen Gemeinden zu erleben.

Die Reise beginnt mit zwei Superstars. Was Mercedes Sosa für Lateinamerika und Joan Baez für die US-Folkszene, ist Chava Alberstein für die jüdische Musik. Ihre melancholische Altstimme ist auf 45 Alben zu hören, von Israel aus ist die in Polen geborenen Diva in jegliche Ausdrucksform der jüdischen Musiktradition vorgestoßen. Ihr jüngstes Projekt hat sie mit den herausragenden Protagonisten des New Yorker Klezmer-Zirkels zusammengeführt, den Klezmatics. Seit 1986 werden sie für ihre überschwengliche, teils jazzige Belebung jenes Genres geschätzt, das seine Wurzeln in der Tanzmusik der fahrenden Spielleute aus den jüdischen Gemeinden von Polen bis hinunter zum Balkan hat. Im Zuge wirtschaftlicher Zwänge, aber vor allem infolge von Diskriminierung und Verfolgung fand der Klezmer seinen Weg in die Neue Welt und verschmolz dort mit Swing- und Dixieland-Einflüssen. Die Musik der Klezmatics ist die konsequente Widerspiegelung urbanen Alltags, gekoppelt mit großer Offenheit, die z.B. schon Kooperationen mit den marokkanischen Master Musicians Of Jajouka oder Allen Ginsberg ermöglichte. In " Di Goldene Pave" ("Der Goldene Pfau") arrangieren die Klezmatics eine Komposition Alber-steins, zu finden auf dem preisgekrönten Album "The Well" - und wie aus einem Brunnen schöpft die Chanteuse aus dem reichen Fundus jüdischer Poeten, in diesem Falle der jiddischen Dichterin Anna Margolin.

Jüdische Musik ist freilich auch in Ländern des westlichen Europas ansässig geworden. Hinter dem Namen The Burning Bush verbirgt sich Englands erfolgreichstes Ensemble auf diesem Feld, beliebt vor allem durch die Vertonung zahlreicher TV-Dokumentationen. Hier interpretieren sie die traditionelle chassidische Melodie "Rad Halaila".

Einen anderen Fokus haben sich KlezRoym zu eigen gemacht, die aus Italien, der Heimat der ältesten jüdischen Gemeinde Europas kommen. Im Gegensatz zu anderen Ländern konnte sich jüdische Kultur hier bis zum 2.Weltkrieg frei entfalten. Die Gruppe befasst sich vor allem mit dem Repertoire der sephardischen Juden, die 1492 von der katholischen Kirche aus ihrer ehemaligen iberischen Heimat vertrieben wurden, wenn sie nicht zur Konvertierung bereit waren. Über Marokko bis hin nach Griechenland und in die Türkei führte der Weg der Ausgewiesenen, und in unzähligen Enklaven lebt sephardische Kultur und Sprache (das Ladino) bis heute in einer einmaligen Mischung aus mittelalterlich-spanischen, arabischen und balkanischen Elementen weiter. Mit "Fel Shara", einem traditionellen Liebeslied, haben KlezRoym diesen Exilanten-Crossover trefflich eingefangen, in dem sie den Text des Liedes in allein 5 Sprachen hin- und herwandern lassen.

Zwar dominiert in New York der Klezmer, doch Uri Caine hat mit seinem Projekt Zohar (benannt nach einem Textauszug der mystischen Kabbala-Schrift) auch sephardische Färbungen in die Neue Welt gebracht. Der Avantgarde-Pianist wurde zu gleichen Teilen von Jazzern wie Hancock und Peterson und der im Elternhaus genossenen Musik der jemenitischen und marokkanischen Juden beeinflusst. Hier musiziert er mit dem marokkanischen Sepharden Aaron Benoussan, einem Meister im Vortrag liturgischer Gesänge.

Die im Februar 2000 so früh verstorbene Ofra Haza steht für die Popularität der jemenitisch-jüdischen Musik in Israel und der ganzen Welt. Da den Juden in der arabischen Diaspora das Spiel von Instrumenten untersagt war, entwickelten sie im Laufe der Jahrhunderte eine unnachahmliche Gesangskunst. Noch heute sind ständig Jemeniten an der Spitze der israelischen Popcharts, so wie einst Ofra Haza mit "Im Nin Alu", das 1988 zur ersten internationalen Ethnopop-Hymne avancierte. Seitdem konnte sie äußerst erfolgreich mit westlichen Produktionen bis in den Dancefloor-Bereich vordringen, ohne jedoch (vergleiche das luftig-folkloristische "Rachamim" von 1994) ihren Roots zu entsagen.

Aus einer Familie polnischer und russischer Emigranten stammt Marcus Uzilevsky alias Uzca, der auf eine denkbar wechselvolle musikalische Karriere zurückblicken kann. Er betätigte sich als Psychedelic-Rocker, jammte mit Mr. Bob Dylan und ist übrgens auch als bildender Künstler aktiv. Vor kurzem erst hat Uzca — nun in Kalifornien lebend — seine jüdischen Wurzeln entdeckt, denen er in "Kona Hora", angelehnt an das Genre des rumänischen Ringtanzes hora, in seiner "Spirit language" einer klangvollen Fantasie-Sprache huldigt.

Wie die Klezmatics hat sich auch die Klezmer Conservatory Band um Hankus Netsky der Bewahrung und Weiterentwicklung der Klezmermusik in den USA verschrieben, wobei sie sich auf die Tradition ihrer Ahnen berufen, die seit den Zwanzigern in den berühmten Klezmerorchestern Philadelphias aktiv waren. Zu den Meriten der Band zählt die Teilnahme an Itzhak Perlmans "In The Fiddler's House"-Alben. "Meron Nign", mit einem interessanten Bläserarrangement und Mandolinen-Anteil, geht auf eine religiöse chassidische Melodie zurück.

Allein ein Drittel der vertriebenen sephardischen Juden fand in Konstantinopels Galata Distrikt eine neue Heimat, wo sie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts unter ottomanischer Herrschaft ihre Sprache, Religion und Kunst ausüben konnten. Durch Auswanderung nach Israel wurde allerdings der Niedergang der Kultur türkisch-jüdischer Sepharden bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts besiegelt. Janet und Jak Esim versuchen mit ihrer Arbeit zu verhindern, daß jene vollkommen in Vergessenheit gerät. Neben der Aufnahme alter Sänger gehören auch eigene Einspielungen dazu, wie das ladinische Lied "Ija Mia Mi Kerida" ("Meine liebe Tochter"), verziert durch die akustische Gitarre von Erkan Ogur.

Sephardische Töne aus einer ganz anderen Ecke der Erde kommen von Consuelo Luz, einer wahren Weltbürgerin. Geboren in Chile, und in Griechenland, den Philippinen, Spanien, Italien und Peru katholisch erzogen, lebt Consuelo heute in New Mexico. Erst spät wurde sie sich ihrer sephardischen Vorfahren mütterlicherseits bewußt. Nach und nach wurde die ebenfalls als Dichterin und Schauspielerin Agierende zu einer profunden Kennerin ladinischsprachiger Lieder und Gebete und trägt diese in ihrer Wahlheimat Santa Fé, aber auch in Havana vor. Mit "Las Estreyas" macht sie uns mit einer Liebesballade bekannt, die noch aus der Zeit vor der Inquisition stammt.

Aus Winnipeg/Ontario, einer der größten Enklaven polnischer, ukrainischer und russischer Juden in Kanada, stammt die Formation Finjan. Mit ihren zeitgenössischen Interpretationen der bei Hochzeiten gespielten Tänzen wie freylechs oder jiddischen Theatermelodien spielen sie eine große Rolle im Klezmer-Revival. "Dancing On Water" demonstriert ihre ausgezeichnete Fähigkeit, Melodien vom Anfang des 20. Jahrhunderts sensibel in unsere Zeit zu transformieren.

Musik einer Künstlerin aus der größten jüdischen Gemeinde Südamerikas beschließt die Odyssee. Fortuna begann ihre Karriere in São Paulo als Sängerin von Bossa Nova-Standards und war mit Größen der brasilianischen Szene unterwegs, bevor sie in ihren Träumen Frauen begegnete, die spanisch anmutende Melodien intonierten. Bei der ersten realen Begegnung mit sephardischer Musik wußte sie ihre Visionen zu deuten und widmete sich ab sofort ihrem jüdischen Erbe in Musik, Tanz und Kleidung. "Shalom Aleichem", ein Höhepunkt aus ihren bislang vier Alben, ist ein sephardisches Arrangement einer der bekanntesten hebräischen Melodien überhaupt.

"A Jewish Odyssey" ist eine Reise beinahe um die ganze Welt, die auch dort Perlen jüdischer Musik zutage fördert, wo selbst Kenner sie kaum vermutet hätten.

 

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