CHICO CESAR COLLECTION

EXIL MUSIK 9537-2
LC 08972

DISTRIBUTION: INDIGO

 

Brasiliens Musikszene ist ein weiter Ozean der Kreativität und es erfordert schon besonders begabte Artisten, um darin Wellen zu schlagen. Chico César, brilianter Musiker mit einem schier unendlichen Repertoire voll schillernder Songperlen im Gepäck, gehört zu den wenigen Newcomern, die in ihrer Heimat jüngst einen durchschlagenden Erfolg für sich verbuchen konnten. Er ist ebenso Meister im Verfassen sensibler Balladen wie karibischer Reggaetunes oder euphorischer Forró-Songs. Hits wie das hinreißende "A Primeira Vista", "Pedra De Responsa" mit seinem Karneval-in-der-Karibik-Flair oder der packende Samba-Reggae-Stomper "Mama Africa" gehen auf sein Konto. Damit ist César heute neben Carlinhos Brown der profilierteste Vertreter der aktuellen Música Popular Brasileira.

Kulturell gesehen gleicht Brasilien einem eigenen Kontinent. Ganz offenbar birgt dieses Land unerschöpfliche musikalische Resourcen. Wie sonst könnten dort ständig neue Künstler aus dem Nichts auftauchen und die gesamte Musik umkrempeln, dabei mit Einflüssen der großen weiten Welt Ping Pong spielen und dennoch stets typisch brasilianisch klingen? So wie Chico César. Schon bei seiner Entdeckung im Jahre 1995 entpuppte er sich als eines der hoffnungsvollsten Talente der Música Tropical. Seither kämpft der gewitzte Newcomer aus dem Hinterland neben Carlinhos Brown als Impulsgeber an vorderster Front der brasilianischen Pop-Elite.

Der rhythmische Reichtum seiner Heimat ist für César ein nie versiegender Quell der Inspiration. Chicos Fähigkeit, die folkloristischen Melodien aus dem Nordosten in ein zeitgemäßes Gewand zu kleiden, ist immer wieder erstaunlich. Die regionalen Tänze und Lieder bieten ein weites Feld für seine musikalischen Erkundungen. Folkrhythmen wie Repente, Baiao, Boi Bumbá, Coco, Sirimbó, Chorinho oder Reizado vermischt der erfindungsreiche Künstler aus Paraíba auf intelligente Weise mit Funk, Hip Hop, Reggae und Rap, zeigt sich dabei aber auch offen für karibische, afrikanische und europäische Einflüsse. Diese reichen von Bob Marley über Salif Keita bis hin zu Led Zeppelin. Sein Kompositionstalent wurde von den Superstars sogleich erkannt: Daniela Mercury, Maria Bethânia und Elba Ramalho, aber auch Sängerinnen wie Zizi Possi und Danielas Halbschwester Vânia Abreu übernahmen seine Lieder in ihr Repertoire. Seinen immensen Erfolg in Brasilien verband César zugleich mit einer internationalen Karriere. Fans in Deutschland, Portugal, Frankreich und sogar im fernen Japan konnten sich bereits von seinem Talent und seiner einnehmenden Persönlichkeit überzeugen. Als Putumayo Artist wird Chico César nun neben Europa auch die USA erobern mit einem Album, das zwölf der besten Songs aus seiner bisherigen Schaffensphase vereint.

Dabei hat Chico César, dessen vierte CD "Mama Mundi" hierzulande im Juni erschienen ist, bis dahin nur eine Discographie von circa zweieinhalb Alben vorzuweisen. Zweieinhalb, weil sein Debüt "Aos Vivos" einige Stücke der darauf folgenden Studioeinspielung bereits vorwegnimmt, und nicht etwa weil dieser Konzertmitschnitt qualitative Mängel aufweist. Im Gegenteil. Es war Aos Vivos, das ihn 1995 bei einer kleinen aber mit Geschmack gesegneten Fangemeinde zum Geheimtipp machte und seiner Karriere den entscheidenden Anstoß gab. Mit einem Schlag drang Chico César ins Licht der Öffentlichkeit als er sein vermeintlich unscheinbares Live-Album auf dem kleinen Label Velas herausbrachte. Die 15 akustischen Tracks des selbstproduzierten und eigenfinanzierten Longplayers wurden 1994 bei zwei Shows in São Paulo mitgeschnitten. Das mittlerweile zu Gold gewordene Debüt signalisierte die Ankunft einer neuen Kraft in der brasilianischen Musik. Césars eingängige Melodien und außergewöhnliche Textzeilen prägten sich sofort in das Gedächtnis seiner Zuhörer. 1995 erhielt er den Sharp-Preis für die beste regionale Neuentdeckung, denn Chico César war ja ein Provinzler, ungeachtet der Tatsache, dass er bereits seit einem Jahrzehnt in São Paulo lebte.

Mit den ersten Impressionen von seiner Musik wurden die Brasilianer zugleich mit der sympathischen Persönlichkeit und dem extravaganten Stil ihres Schöpfers vertraut gemacht. Sein Markenzeichen, ein senkrecht nach oben abstehender Haarschopf über seinem runden Engelsgesicht, hat hohen Wiedererkennungswert. Was dem 1 Meter 60 kleinen César an Körpergröße fehlt gleicht er durch seine starke Präsenz und seine extravaganten Kleider aus, die Urtypisches mit Avantgarde kombinieren. César ist hellwach, einfallsreich und mit viel subversivem Humor gesegnet, der sich an der aufmerksamen Beobachtung seiner Umwelt entzündet. Die Rhythmen und Melodien seiner Heimat verschmelzen mit seinen originellen Texten zu einer untrennbaren Einheit. Doch nicht nur Witz und Wortspiele, auch Gefühl stecken in diesen Texten, die ein beinahe automatisches Einverständnis mit den Zuhörern herstellen.

Geboren wurde Francisco (Chico) César Gonçalves am 26. Januar 1964 in einem 12.000 Einwohner-Nest namens Catolé de Rocha im nordöstlichen Bundesstaat Paraíba als siebter Sohn eines ungebildeten Landarbeiters und einer Wäscherin. "Meinen Vornamen Francisco bekam ich von meinem Vater und von dem Heiligen, den meine Mutter so sehr verehrte", rekapituliert der Musiker. "Mein Bruder aber bestand darauf, daß ich auch den Namen eines Königs tragen sollte, daher mein zweiter Vorname César." Die staubtrockene Gegend, in der César heute als künstlerischer Souverän regiert, besitzt nur einen einzigen Reichtum: die Musik. Deren unglaubliche Vielseitigkeit bekam Chico César sozusagen mit der Muttermilch verabreicht. Bei den örtlichen Festen erklangen rumorende Afro-Trommeln, quieckende Akkordeon-Riffs des Forró und die vokalen Improvisationen der Repentistas. Sein Vater sang und spielte den Papangú, eine komische Figur bei den "Reizados", alljährlichen Weihnachtsspielen der Region. Neben der Sertaneja-Musik des Nordostens von legendären Helden wie Luiz Gonzaga, dem Trio Nordestino und Jackson do Pandeiro gruben sich bald auch die Songs der Tropicália und MPB tief in das musikalische Gedächtnis des Kindes ein. Und bald war Chico ebenso fasziniert von Rock, Reggae, Funk und World Music. Denn mit nur 8 Jahren begann er in einem Plattenladen zu arbeiten. "Als Schallplattenverkäufer bekam ich so ziemlich alles zu hören," erinnert er sich, "Bee Gees, Jackson 5, Beatles, Rolling Stones und die ganze Música Popular Brasileira: Caetano, Gil, Luiz Melodia, Roberto Carlos, Tim Maia. Und jedesmal wenn ich eines dieser Plattencover betrachtete, spiegelte ich mich förmlich darin. Das nährte in mir den Wunsch, selbst einmal eine solche Platte zu machen." Zugleich ergatterte seine Tante für ihn ein Stipendium in einer Schule, die von deutschen Franziskaner-Schwestern in Catolé de Rocha betrieben wurde.

In seiner Karriere als Musiker nahm ausgerechnet Deutschland eine entscheidende Rolle ein. "Begonnen hat diese Beziehung zu Deutschland mit den Nonnen, in deren Schule ich lernte, alles gewissenhaft zu machen, nichts halb fertig liegen zu lassen. Eigentlich hätte ich da gar nicht studieren dürfen, denn es war eine Schule für Reiche. Nur weil meine Tante für die Schwestern die Wäsche wusch, bekam sie ein Stipendium für mich." Bald gründete César mit Freunden und selbstgebastelten Instrumenten seine erste Band "Super Som Mirim". Als 14-jähriger gründete er "Grupo Ferradura", die kreuz und quer durch Paraíba zog, um auf diversen Musikfestivals ihre Eigenkompositionen zu präsentieren. "Mit 16 zog ich nach João Pessoa, der Hauptstadt des Staates Paraíba. Dort begegnete ich 'Jaguaribe Carne', einer Künstlergruppe, die sich allen möglichen stilistischen Experimenten verschrieben hatte. Sie nahmen mich auf und führten mich an Avantgardemusik, konkrete Poesie, das Cinema Novo, Mao Tse Tung, Erotische Gedichte, World Music und das Zwölf-Ton System heran."

Ende 1984 verließ er João Pessoa in Richtung São Paulo. "Hier saß ich zunächst zwischen allen Stühlen. Ich war zu sehr Provinzler um in den hippen Lokalen der Metropole aufzutreten aber zugleich war meine Musik zu seltsam, als dass sie auf den Forró-Partys gespielt werden konnte. So verdiente ich mir meinen Unterhalt als Journalist und trat hin und wieder in kleinen Clubs und Underground-Theatern auf. Ich gründete Câmara dos Camaradas, eine Band die ich später in Cuscuz Clã umtaufte." In São Paulo war César als Reporter und Musikkritiker unterwegs. Er rezensierte alles, von James Bond-Soundtracks bis zu Alben von Edson Cordeiro. "Als ich noch an der journalistischen Fakultät in João Pessoa eingeschrieben war, lernte ich eine Freundin kennen, die später Mitglied des deutsch-brasilianischen Kulturvereins wurde und mir 1991 eine Einladung nach Tübingen beschaffte. Auf dem Stadtfest bekam ich beeindruckende Resonanzen vom Publikum, den Organisatoren und den Kritikern. Das war für mich Ansporn, das selbe auch in Brasilien zu erreichen. 1992 gab ich mein Journalistenleben auf und widmete mich nur noch der Musik. Ein weiteres Mal also hatte Deutschland einen entscheidenden Einfluß auf mein Leben."

1994 nahm er Aos Vivos auf. Ein Radiosender spielte "À Primeira Vista". Schließlich nahm Produzent Marco Mazzola (Leiter des Brasilianischen Abends beim Montreux Jazz Festival) César unter Vertrag und es folgten die beiden Studioalben "Cuscuz Clã" und "Beleza Mano", und namhafte Sängerinnen wie Daniela Mercury, Elba Ramalho und Maria Bethânia spielten seine Kompositionen ein. Tourneen in ganz Brasilien, Japan und Europa schlossen sich an. Während sein viertes Album "Mama Mundi" erstmals regulär in Deutschland erscheint, gibt dieses Putumayo-Porträt einen Einblick in sein bisheriges Werk.

Zu den Songs:

4. A Primera Vista - "Als wir 'À Primeira Vista' (Auf den ersten Blick) spielten, gab es viel Resonanz seitens der Hörer", erinnert sich FM Radio-Macherin Adriana Cynthia Souza aus São Paulo. "Einige riefen an und wollten wissen, wie denn 'der schöne Song von Caetano Veloso' hieß, der gerade gespielt wurde." Chico Césars bislang größter Hit brachte ihm nicht nur den seither oft zitierten Vergleich mit Caetano Veloso ein, er klingt auch wie die brasilianische Antwort auf Paul McCartneys Yesterday. Nicht nur das Streicherarrangement dieser Ballade legt diese Assoziation nahe, auch die wunderbare Melodie hat Beatlesqualitäten. Der Text erzählt von einer Liebe auf den ersten Blick - nicht nur zu einem Mädchen, sondern auch zur Musik: "Als ich Prince/Salif Keita zum ersten Mal hörte, tanzte ich." Schon 1994 wurde das Stück von Badi Assad interpretiert und 1996 von Daniela Mercury auf ihrem Erfolgsalbum "Feijão Com Arroz" übernommen. Es war Thema in der brasilianischen Telenovela "O Rei Do Gado", was der Popularität

zusätzlichen Anschub verlieh. Der Vergleich mit 'Yesterday' hat natürlich seine Grenzen dort, wo César einen bezaubernden Refrain einführt: "Ô amarrara dzaia soiê dzaia dzaia si iiiinga durnã". Während man noch darüber rätselt, was diese wunderlichen Worte bedeuten, nimmt einen die exotische Melodie restlos gefangen. Des Rätsels Lösung: die Passage läßt sich keinem

bestimmten Idiom zuordnen. Die Silbenfolge, aufs engste verwoben mit der Melodie aus der sie geboren wurde, existiert nur um ihrer selbst und ihrer seltsamen Schönheit willen.

10. Mama África - "Die weibliche Figur ist allgemein sehr präsent in meiner Arbeit, in 'Mama Africa' ebenso wie in 'Benazir'. Ich habe diesen besonderen Hang zu Frauenfiguren - sei es die Mutter die uns nährt und beschützt, sei es die Mutter die uns verstößt." Mama África - Chicos zweiter großer Hit nach "Á Primeira Vista" von seinem ersten Studioalbum Cuscuz Clã (1996) handelt von einer alleinerziehenden schwarzen Mutter in Bahia, die hart arbeiten muß, um das bisschen Geld zu verdienen, mit dem sie zugleich ihre Kinder zu versorgen hat. Eine brasilianische 'Lady Madonna'!?

3. Pedra de Responsa - Ein Karnevalshit, in dem César auch textlich extrem gut drauf kommt. 'Pedra De Responsa' heißt auf gut Deutsch soviel wie "real good stuff". Und wer weiß, welches Kraut in der Zigarrette steckte, die ihm auf der Inselparty angeboten wurde. Der Song zusammen mit Zeca Baleiro komponiert, vereint karibischen Socabeat mit einem Schuß Merengue und den heißen, mit dem Lambada-verwandten Rhythmen des brasilianischen Nordostens. 2. Paraíba Meu Amor - In Zwiesprache mit dem Akkordeon eröffnet eine melancholische Posaune das swingende 'Paraíba Meu Amor', eine Liebeserklärung an Chicos arme und staubtrockene Heimatregion im Nordosten Brasiliens, die mit einem naiven A Cappella-Chor ausklingt - doch diese kindliche Leichtigkeit und schlichte Schönheit stecken in jedem Ton dieses Liedes: in seiner Melodie, seinem Text, seinem Arrangement. 5. You, Yuri - 'You, Yuri' könnte eine Hommage an den Funkster Tim Maia sein, der mit Hits wie 'Sossego' dem US-Funk eine brasilianische Note verlieh. Der skurrile Text beschränkt sich auf die Wiederholung zweier Namen: den des russischen Kosmonauten Yuri Gagarin und eines brasilianischen Musikers namens Yuri Popoff - aber statt sich über den tieferen Sinn dieser Poesie den Kopf zu zerbrechen kann man auch einfach nur dazu tanzen, denn das Stück groovt wie die Hölle. 1. Papo Cabeça & 6. Se Você Viajar - Reggae-Pop in 'Papo Cabeça' und 'Se Você Viajar', wobei Chico in letzterem den 1994er Hit von Cidade Negra "Onde Você Mora" zitiert. 7. Parentes - Parentes entstand zusammen mit Mestre Ambrósio, einer der faszinierendsten neotraditionellen Rockbands aus Pernambuco, die ihrerseits noch ihrer Entdeckung harren. Das zentrale Wortspiel hier: Parentes (Eltern) und Parintíns, ein Staat im Inneren Brasiliens. 8. Fila - Filá ist ein wunderbar euphorischer Afro-Reggae-Pop . Der Titel bezieht sich auf eine spezielle Kopfbedeckung, mit der César hoffnungsfroh auf dem Pelourinho ('Peló') herumstolziert ('defiliert') - aus purem Spaß, aber auch, um die Aufmerksamkeit der Mädchen zu erregen ('impressionar a menina'), wie er augenzwinkernd verkündet. 9. Onde Estará O Meu Amor - "Wo mag meine Liebe sein?" - eine Popballade, die ein bisschen an den großen Police-Hit 'Every Breath You Take' erinnert. Das Stück wurde bereits von Maria Bethânia übernommen. 11. Beleza Mano - Der Titelsong von Chicos zweitem Studioalbum (1997) entführt uns mit seinem vom Agogô-geprägten Ijexá-Rhythmus nach Bahia. Wie schon in 'Paraíba Meu Amor' findet man auch hier wieder das Prinzip, das gesamte Arrangement am Ende abzustreifen und den Refrain A-cappella und mit Rhythmusbegleitung in Form einer Feldaufnahme auszublenden. 12. Mand'ela - Co-Autor von 'Mand'ela' ist erneut Zeca Baleiro. Der Titel spielt mit dem Namen des ersten südafrikanischen Präsidenten schwarzer Hautfarbe und der Bedeutung "manda ela" - brasilianisch für "richte ihr aus", "befiehl ihr".

 

zurück zur EXIL Homepage
Presse-Infos
oder zum Gesamtkatalog

© EXIL MUSIK GmbH - D-91593 BURGBERNHEIM - T 09843-95959 - F 09843-95900 - email: office@exil.de
Abdruck für Presse & Online-Medien erlaubt, Belegexemplar bzw Link erwünscht
!