NASS MARRAKECH

Sabil ’a’ Salaam

(Pfad des Friedens)

EXIL MUSIK 9353-2
LC 08972

DISTRIBUTION: INDIGO

Fast schon mythisch klingt es, will man die Ursprünge der marokkanischen Gnawa nachzeichnen: ihre Vorfahren stammen aus Gebieten jenseits der Sahara, einige Quellen geben den Sudan und Kenia an, andere wiederum sehen Ghana, Gambia, Mauretanien oder Mali als die ursprünglichen Siedlungsgebiete jener Menschen an, die vor Jahrhunderten als Sklaven oder Soldaten ins damalige Groß-Marokko verschleppt wurden. Die heute über ganz Marokko verbreiteten, aber in Marrakesch zentrierten "Bruderschaften des mystischen Weges" der Gnawa formierten sich entlang dieser Routen aus den Bräuchen der lokalen Volksgruppen und esoterischen Zügen des Islam zu einer bedeutenden Sufi-Sekte. Ihre Zeremonien, die lila, sind geprägt von tranceerregender Musik und ekstatischem Tanz: die scheppernden Castagnetten karkaba, der call-and-response-Gesang mit seinen unisono skandierenden Chor-Ausbrüchen, und vor allem das mächtige Bass-Instrument Sentir, auch Guembri genannt, eine erdig swingende Laute mit drei Saiten, dominieren die Rituale der Bruderschaften. Im Verlauf einer lila wird der Kontakt zu Vorfahren hergestellt und Heilung verschiedenster psychischer Leiden bis hin zum Skorpionbiss erzielt.

Doch die Rituale der Gnawa dringen seit einiger Zeit nicht nur von Marokko aus ans Ohr der Weltmusik-Gemeinde. Der Wahl-New Yorker Hassan Hakmoun hat seine Wurzeln mit funky-feurigem Jazzrock vermählt, der Ex-"Dissident" El Houssaine Kili kombiniert in seinem farbenprächtigen Ethno-Pop von Deutschland aus Gnawa-Musik mit Klängen der Berber und Araber und der progressive DJ U-cef lässt in London Drum’n’Bass und Trash-Gitarre mit den zyklischen Grooves kollidieren.

Wer sich bisher von Klängen dieser Art begeistern ließ, für den wird die hier vorliegende CD des Quartetts Nass Marrakesch eine Offenbarung sein.

Abdeljalil Kadssi, Moulay M’Hamed Ennaji (der sich auch "Sheriff" nennt), Abdelkebir Bensaloum und Mohamed Bechar schlossen sich 1991 zusammen, um dem Sound ihrer Minderheit mit unorthodoxen, weltoffenen Bausteinen neu zu formen. Trotz ihres noch jugendlichen Alters sind alle vier Mitglieder der Band tief verwurzelt in der Gnawa-Kultur, von Abdelkebir sagt man gar, er sei der jüngste Gnawa-Meister Marokkos. Auf dieser firmen Grundlage starten Nass Marrakesch zu Erkundungen auf neues Terrain, um sowohl das Repertoire der Texte zu erweitern als auch eine Bereicherung des Arsenals der Instrumente anzustreben. Begegnungen mit Don Cherry, der auch schon mit Hassan Hakmoun arbeitete, spornte die Kreativität der Band an, auch die Casablanca School of Jazz kreuzte ihre Wege. Und so erleben wir, wie mitten auf dem "Pfad des Friedens", so der Titel ihres Debuts, die Grooves der sentir von Abdelkebir und der karkaba von Mohamed Bechars eine Vielzahl befruchtender Injektionen erfahren. Die aus dem Senegal und Nigeria bekannten Trommeln djembe, sabar und udu spielen in raffinierter Weise auf die schwarzafrikanische Vergangenheit der deportierten Gnawa an und legen differenzierte Rhythmenteppiche unter Abdeljalils Verse und die mächtigen Antwortchöre, das cajón hingegen signalisiert Marokkos Nähe zu Andalusien und seinem Flamenco. Sheriffs pointiertes Mandolinenspiel setzt glitzernde Akzente und sogar geographisch fern angesiedelte Instrumente wie die indische Tabla unter den Händen von Jordi Rallo oder die japanische Rohrflöte shakuhachi von Hiroshi Kabayashi finden treffsicher Eingang in die modernisierte Klang-Mystik.

Und so schaffen die eher an den traditionellen Trance-Songs orientierten Stücke ein Gleichgewicht mit asiatisch und afrikanisch eingefärbten Tracks — Ergebnis ist eine jener unaufdringlichen und feinsinnigen Weltmusikfusionen, die sich erst bei konzentriertem Zuhören erschließen, dann aber betörend und beglückend zugleich wirken.

Anspieltips:

die Ursprünge des Titels "Yo Mala" gehen wohl 900 Jahre oder mehr zurück. Er wird noch in der Sprache des alten Bambara interpretiert und ist ein Tribut an die ersten Gnawas der schwarzen Diaspora. Die in der Ferne flirrenden shakuhachi-Kaskaden verleihen dem Song eine geheimnisvolle Luftigkeit.

"Allah" ist eine Ehrfurcht einflößende Demonstration von der Macht der Gnawa-Chöre. Die Anrufung des Erhabenen tönt in die Weite hinaus und wird untermalt von den beständigen Tabla-Beats, die sich mit den Bass-Mustern der sentir verflechten.

"Torkalila" vereint die Familie der Percussionsinstrumente: djembe, sabar und cajón legen das opulente Fundament unter den Song, der traditionell den Einstieg in die Trance-Zeremonien markiert.

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