Putumayo presents:
ITALIAN MUSICAL ODYSSEY

EXIL MUSIK 9212-2
LC 08972
DISTRIBUTION: INDIGO

Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich Putumayo, das bunteste Label der Welt, auch einer der buntesten Folk- und Weltmusikszenen Europas annimmt. Spätestens nach dem Hören dieser Platte sollte man merken, dass Italien musikalisch weit mehr als nur Al Bano und Romina Power, Luciano Pavarotti oder Eros Ramazzotti zu bieten hat. Immerhin darf sich das Land auf dem Stiefel rühmen, eine der alten Hochkulturen Europas zu beherbergen, von hier wurde einst die halbe Welt regiert und musikalisch beherrschten Italiener wie Verdi, Puccini und Paganini später die Konzertsäle und Opernhäuser. Nicht umsonst ist Italienisch immer noch Pflichtfach für alle klassischen Sänger. Noch heute findet man in der Canzone Napoletana die Ursprünge vieler berühmter Opernarien. Selbst Elvis sang Neapolitanisch, wenn sein "O sole mio" auch "It’s now or never" hieß. Durch die jahrhundertelange Fremdherrschaft in vielen Regionen hat sich bis heute eine sehr vielfältige Musikszene erhalten, die in den verschiedensten Arten gespielt wird – von rein traditionell bis hin zur offenen Annäherung an afrikanische Klänge, die man nur einen Katzensprung weiter über das Mittelmeer in Nordafrika findet. Aber auch Franzosen, Spanier, Deutsche, Kelten, Araber, Griechen und Amerikaner hinterließen ihre musikalischen Spuren auf ihren Streifzügen durch Italien.

Agricantus besteht schon beinahe 20 Jahre und gründete sich in der Schweiz, wo junge Sizilianer gegen ihr Heimweh anspielten. Was einst sehr traditionell begann, hat sich heute zu einem der erfolgreichsten Exporte der italienischen Weltmusikszene ausgewachsen, denn inzwischen fusionieren Agricantus die Klänge Siziliens mit denen, die sie rund um das Mittelmeer finden. Das gilt übrigens nicht nur musikalisch sondern auch sprachlich, denn die Schweizer Sängerin Rosie Wiederkehr singt in mindestens einem Dutzend Sprachen (von Tamaschek, der Sprache der Tuareg, über Arabisch, Deutsch, Französisch und Englisch bis in die verschiedensten Sprachen Süditaliens) und von Platte zu Platte werden es immer mehr. Am 1.Mai dieses Jahres traten Agricantus in einem großen Benefiz-Konzert vor 600.000 Menschen gemeinsam mit Lou Reed, den Eurythmics, Youssou N’Dour und Alanis Morissette in Rom auf.

La Ciapa Rusa gehören zum Urgestein der italienischen Folkszene, die sich seit den 60er Jahren neu formiert hat. In ihrer piemontesischen Heimat sind die Einflüsse der Kelten ebenso hörbar wie die des nahen Frankreichs. Jahrelang zogen die Musiker durch die Dörfer und suchten nach alten Volksliedern, dokumentierten sie und komponierten neue im alten Stil. Bis zu ihrer kürzlichen Auflösung tourten La Ciapa Rusa unermüdlich durch Europa und waren dabei den Folkfans außerhalb Italiens beinahe bekannter als den Italienern selbst! Ihr Lied über die Turinerin ist die Rekonstruktion einer alten Ballade, in der die Eltern ihre Tochter verheiraten wollen, damit sie endlich aus dem Hause kommt.

Aus Umbrien in Zentralitalien stammt Lucilla Galeazzi, keine Unbekannte für Putumayo-Fans, war sie doch schon auf dem Sampler "Athens to Andalucia: A Mediterranean Odyssey" vertreten. International wurde sie durch ihre Mitarbeit an Phillipe Eidels Mammas-Projekt bekannt. In Rom, wo Lucilla heute lebt, verschmilzt sie die reichen Folktraditionen ihrer Heimat mit dem Klang der Metropole, wobei in ihren Kompositionen auch der Einfluß aus dem iberischen Raum nicht zu kurz kommt. In "Quante stelle nel cielo con la luna" jedoch hört man eher Anklänge an die frühe Oper und Operette.

Riccardo Tesi dagegen hat sich in der vorliegenden Aufnahme dem Ballo Liscio verschrieben, einer Musik, die in den 20er Jahren als Äquivalent zur französischen Musette und zum Wiener Walzer sehr populär war, später aber eher als schlechte Kopie des Originals und als Tanzmusik für arme Leute abgetan wurde. Der Toskaner hat dieser Musikform ein ganzes Album gewidmet und ist in Europa einer der anerkanntesten Melodeon-Spieler, der nicht nur in den verschiedensten Formen italienischer Folkmusik bewandert ist, sondern auch im Jazz, Weltmusik, Pop und Klassik.

Die Rua Port’Alba wurde zwar "erst" vor zehn Jahren in Neapel gegründet, doch Massimo Mollo und Mariza del Giudice sind keine Unbekannten in der dortigen Szene. Sie sind nicht nur in der traditionellen Canzone Napoletana musikalisch zuhause, sondern setzen diese auch in einen modernen Kontext mit anderen Folkstilen Süditaliens und auch Lateinamerikas. Daneben gilt Massimo Mollo auch als einer der wichtigen Songschreiber der jüngeren Generation.

Auf unserem Weg nach Süden gelangen wir zu den Fratelli Mancuso und ins Herz von Sizilien, nach Sutera. Diese steinige Gegend ist reich an Geschichte und Musik. Wie viele andere Sizilianer, so mußten auch die Brüder Mancuso in den 70er Jahren ihre Heimat auf der Suche nach Arbeit verlassen. Diese Suche führte sie bis nach London, später wieder zurück nach Nord- und Mittelitalien und hin zur traditionellen Musik der Insel, die wie kaum ein anderes Gebiet Italiens durch die verschiedensten Einflüsse geprägt ist. In ihren Liedern singen sie über die schwierige Situation vieler Sizilianer, die fern der Heimat arbeiten und dort nichts als die üblichen Mafia-Klischees zu hören bekommen.

Ähnlich geht es auch den Sarden, die noch immer gegen das Vorurteil der umherziehenden Banden ankämpfen. Die Sarden haben durch die weite Entfernung zum italienischen Festland und die lange Besatzung durch die Spanier (in einigen Gegenden wird sogar noch Katalanisch gesprochen!), nicht nur musikalisch eine eigene Sprache entwickelt. Càlic greifen diese alte Musik der Cantes a Tenori auf, mit der sich die Hirten auf den Weiden schon vor Jahrtausenden hinweg verständigten, und setzen diese A cappella-Gesänge in einen modernisierten Kontext, nutzen aber auch die traditionellen Instrumente wie etwa die Ximbomba und Benas, deren Geschichte auf Sardinien über 2000 Jahre zurückreicht.

Mit Calicanto gelangen wir wieder in den Norden nach Venetien. Der Name dieser Frühlingsblume soll den Wunsch nach der Neubelebung der venezianischen Musik und Kultur verdeutlichen, oft singen Calicanto aber auch über den Untergang Venedigs und die unrühmliche Rolle der Touristen, die ihre Stadt bevölkern. Auch wenn ihre Lieder noch so melancholisch klingen, man hört den Stolz einer untergegangenen Weltmacht bis heute. Und das, obwohl sich neben traditionellen Texten und Instrumenten auch jazzige Anklänge und sogar elektronische Klänge in der Musik wiederfinden.

Taken dagegen stammen aus dem Nordwesten und sind ein typisches Beispiel dafür, wie heute junge Musiker mit ihrer traditionellen Musik umgehen. Da ist auf der einen Seite der starke Bezug zur keltischen Musik, der sich für sie sowohl in der heimischen als auch in der Musik der Pogues manifestiert, als auch der enge Bezug zu den großen italienischen Liedermachern, den Cantautori. Daneben gilt ihre Liebe der lateinamerikanischen Musik, auch Reggae und Dub, wie man auf ihrem Debüt-Album "Volcano" hören kann.

Anders als Taken bedienen sich Novalia in ihren Liedern des Dialekts als Ausdrucksmittel der Region Lazio, aus der sie stammen. Auf der Basis einer profunden Kenntnis der "alten" Musik, entwerfen sie ihre "neue" musikalische Vision, die den Dudelsack, Akkordeon und Darbouka mit modernen Synthesizerklängen, Samplern und elektronischen Beats zu einem Folkpop verbindet, der eine starke imaginäre Kraft hat. Viele Soundtracks des neuen italienischen Kinos zeugen davon.

Keine musikalische Odyssee durch Italien wäre ohne die Nuova Compagnia di Canto Popolare komplett, eine nahezu schon legendäre Gruppe, die sich während des europäischen Folkrevivals in den 60er Jahren gründete und bis heute ihr Publikum von den USA bis nach Japan begeistert. Die Sängerin Fausta Vetere war sogar schon bei der Gründung dabei, der heutige musikalische Direktor Corrado Sfogli kam kurz danach. Die Nuova Compagnia hat nicht nur viel zum Erhalt und zur Wiederbelebung der Canzone Napoletana geleistet, sie war in den 70er Jahren auch eine wichtige Inspirationsquelle für viele aufstrebende Rockmusiker wie Pino Daniele, Edoardo Bennato und Teresa De Sio. Auch Paolo Conte zählt sich zu den Fans dieser Gruppe, die in den 90er Jahren sogar mehrmals erfolgreich am Schlagerfestival von San Remo teilnahm! In den vergangenen Jahren haben die Musiker um Corrado Sfogli in Neapel ein Zentrum zum Erhalt der Kultur des Mittelmeeres aufgebaut und den musikalischen Verbindungen Neapels durch den gesamten Mittelmeerraum nachgeforscht.

Hier endet also unsere italienische Reise, und nach mehrmaligem Hören verfestigt sich der Eindruck, dass die Vielgestaltigkeit der italienischen Musik selten so gut auf den Punkt gebracht worden ist, wie es den New Yorker Weltmusikspezialisten hier gelungen ist. Vielleicht braucht man eben diesen unverbrauchten Blick, um aus einem Wust von Klischees die wahren Perlen herauszupicken.

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