Six Degrees presents:

Sonantes feat. CéU




EXIL 91123-2 / LC 08972/ VÖ: 13.06.2008 / DISTRIBUTION: INDIGO

1. Carimbó (ka-rim-BO) 3’35“
2. Miopia (mi-O-pia) 3’11“
3. Toque De Coito (to-ki dschi ko-I-tu) 3’18”
4. Mambobit (mam-bo-BI-tschi) 3’54”
5. Looks Like To Kill 3’07”
6. Defenestrando (de-fe-ne-STRAN-du) 3’03”
7. Quilombo Te Espera (ki-LOM-bu Tschi es-PE-ra ) 3’34”
8. Itapeva 51 (i-ta-PÄ-va sin-KUËN-ta-e-UM) 3’53”
9. Braz (brais) 3’53”
10. Frevo De Saudade (FRÄ-wu dschi sau-DA-dschi) 3’39”

Die Entdeckung lauert fernab von den Stränden Ipanemas mit ihrer Bossa Nova. Weit weg von den Hügeln Rios mit ihrem erdigen Samba, und ist noch entfernter von den afro-gefärbten Poptönen Bahias. Ein urbaner Dschungel vibriert da in Brasilien, der von unseren Ohren noch viel zu wenig durchleuchtet wurde. Was sich seit etlichen Jahren in der alternativen Szene São Paulos tut, welche unerhörten, un- klassifizierbaren Experimente dort zwischen Rock, Samba, Electronica, MPB und Tropen-Pop wuchern, birgt für den europäischen Hörer noch viele Geheimnisse. Nun kommt eine Platte zu uns, die das Spotlight mitten hinein richtet in eine ungezwungene Session aus einem Heimstudio der 20 Millionen-Metropole. SONANTES (sprich: So-NAN-tschis) heißt dieses Kollektiv, an dem wahre Prominenz beteiligt ist, etwa Musiker von der Nação Zumbi (na-SAU sum-BI) oder Apollo 9 (a-pO-lu NO-vi). Und als zentrale Sirene tritt die Sängerin CéU (sprich: SÄ-u) vors Mikro - jene CéU, die vor kurzem mit ihrem fulminanten selbstbetitelten Album hierzulande gleichermaßen Kritiker und Publikum becirct hat. Hier lernen wir sie von einer ganz anderen Seite kennen.

Im größten Ballungsraum Lateinamerikas wurde in den letzten Jahren ein kreatives Network gesponnen, dass immer wieder ungeahnte Energien freisetzt. Dass davon in unseren Breiten wenig wahrgenommen wird, liegt wohl daran, dass hier weder fröhliche Samba-Rhythmen noch coole Bossa-Beats auf der Tagesordnung stehen. Die Musik dieser querköpfigen Paulistas (so heißen die Einwohner von São Paulo) hat einen anarchischen Charme, der sich nicht aus einem typisch nationalen Idiom speist. Klar, dass da mal eine Samba-Trommel durchlugt, aber vielmehr wird hier das Flair von ungehobeltem Indie-Rock oder elektronischem Minimalismus gehegt und gepflegt. Mittendrin in einem der Knotenpunkte dieses Netzwerks sitzt CéU. Ihr Viertel Perdizes ist auch die Heimstatt der Brüder GUI und RICA AMABIS, letzteren kennt man schon vom wilden Kollektiv INSTITUTO, das mit unorthodoxen Basteleien zwischen Drum’n’Bass und urbanen Traditionen zur Avantgarde Brasiliens gehört. Weitere Residenzen in CéUs Quartier besitzen der Nação Zumbi-Drummer PUPILO und sein Bass-Gefährte DENGE. Pupilo ist einer der Percussion-Trickster der aktuellen Brasil-Szene schlechthin. Neben der Arbeit für die Nação, die in Recife mit dem Manguebit Brasiliens wichtigsten Stil der 1990er kreierten, trommelte er auch schon für den verrückten Otto. Begonnen hatte die Zusammenarbeit der Nachbarn in einem Electro-Bossa-Trio namens 3 Na Massa (TREESCH na MAS-sa), und man merkte schnell, dass hier die schöpferische Chemie stimmte. Für CéU zugleich eine Chance, abseits ihrer eigenen CD andere Horizonte zu erkunden.

“Mein Solo-Album war wie ein persönliches Tagebuch“, sagt die schöne Sängerin. Das empfanden auch viele Hörer so: stereoplay und AUDIO kürten im August 2007 ihr Debütalbum einträchtig zur Pop-CD des Monats und letztere schrieb: „Diese 15 Zauber-Stücke sind am besten mit offenen Ohren zu genießen - der Mund steht eh bald offen.“ Und die Kollegen vom MUSIKEXPRESS meinten: “ Der neue Female Superstar des brasilianischen Pop, mit einem raffinierten Mix aus Tradition und Elektronik”. Bei den Latin Grammys war CéU 2006 als „Best New Artist“ nominiert, in den Billboard World Music Charts nahm sie die pole position ein und auch die Deutsche Schallplattenkritik setzte sie auf die Vierteljahres-Bestenliste (4/2007). Vorschusslorbeeren kamen schon aus dem Heimatland: „Die Zukunft der brasilianischen Musik“ nannte sie niemand geringerer als Caetano Veloso und als „neue Prinzessin der Música Popular“ feiert sie Folha Online.

Doch während massenweise Lob über die Debütantin ausgeschüttet wurde, hatte die selbst schon ein weiteres Eisen im Feuer: „Ich wollte neben meiner Soloarbeit auch Teil eines Projekts sein, in dem es nicht auf meine persönliche Sicht der Dinge ankommt. Bei SONANTES geht es darum, dass jeder von uns einen Teil der Kontrolle den anderen überlässt und jeder Ideen in den Entstehungsprozess mit einbringt.“ Das klingt ungezwungen, ja, unvorhersehbar - und genauso hört sich denn auch das Ergebnis der informellen Treffen im Homestudio der Perdizes-Neighbourhood an: Wie eine lockere Session von Freunden, die abseits von Diktaten des Marktes ungeschliffene Instrumental-Perlen im Nirwana zwischen Rock und Kirmesmusik sowie großartig eigensinnige bis eigentümliche Song-Puzzles fabriziert haben. Mehrmaliges Hören erschließt ein spleeniges Universum, in dem auch Gäste wie der international geschätzte Producer APOLLO 9 und der Pultmeister von CéUs Solowerk, BETO VILLARES mitwirkten: Immer wieder begeistert die Architektur aus spukenden Keyboards, präparierten Gitarren und elaborierter Rhythmussektion.

Das startet in „Carimbó“ mit einer leicht psychedelischen Gitarre über einem rockigen Groove, den CéU mit drängendem Sprechgesang und einem Ohrwurm-Refrain füllt. „Miopia“ oszilliert als hübsches Dramolett zwischen einer gereizten E-Gitarre, anachronistischen Orgelsounds und handfesten Rockdrums. Auf „Toque De Coito“ kommt der Vokalist SIBA mit einem warmen Bariton und traditionellen Vokaltönen zum Zuge, während um ihn herum kuriose Elektronikgimmicks und eine rückwärts gespielte Gitarre ihre Späße treiben. Zwei wortlose Nummern schließen sich an: „Mambobit“ reflektiert die süffige Easy Listening-Atmo der 1960er in einer abstrahierten Sprache, während „Looks Like To Kill“ fast ein wenig Artrock-Flair mit nachdenklichem Saitengeflecht aufkommen lässt. „Defenestrando“ entführt mit analogen Synthesizern und pulsierenden Beats zugleich in eine Sci-Fi- wie auch Rocker-Sphäre, mit CéU als leicht lethargischer Reiseführerin.

Ein kleiner Diamant der Scheibe ist sicherlich „Quilombo Te Espera“, der mit einem melodieseligen, von neckischen Bläsern bereicherten Chorus und perkussiven Zwischenspielen sofort hängen bleibt. Über das sperrige „Itapeva 51“ in dem raukehlige Gesänge auf zitternde Keyboards treffen geht der Pfad weiter zu „Braz“, der zweiten Perle des Albums, in der Céu über den swingenden Pupilo-Drums ihren hauchenden Eros auf mehreren Gesangsspuren ausspielt. Schließlich landen wir beim Uptempo-Finale von „Frevo Da Saudade“, in dem der wirbelnde traditionelle Rhythmus aus dem Nordosten auf programmierte Rhythmen trifft.

Sonantes (“ Die Klingenden”) bieten eine spannende Einführung in den Mikrokosmos São Paulos. Es könnte die erste Enthüllung aus einer Szene werden, die die wahre Zukunft brasilianischer Musik parat hält.

zurück zur EXIL Homepage
oder zum Gesamtkatalog


© EXIL MUSIK GmbH - 91593 BURGBERNHEIM - T 09843-95959 - F 09843-95900 - email: office@exil.de
Abdruck für Presse & Online-Medien erlaubt, Belegexemplar bzw Link erwünscht