Six Degrees Presents :

BACKSPIN

 

A SIX DEGREES 10 Year Anniversary Project
EXIL 90110-2 / LC 08972 / VÖ: 6.4.2007 / DISTRIBUTION: INDIGO

1. Karsh Kale: ”Spirits In The Material World” (Sting & The Police)
2. dZihan & Kamien: ”Rockit” (Herbie Hancock, Bill Laswell & Michael James Beinhorn)
3. The Bombay Dub Orchestra: ”Get Carter Theme” (Roy Frederick Budd & Tyler Lee Bates)
4. Niyaz: ” Love Song” (Simon Jonathon Gallup, Roger O’Donnell, Robert James Smith, Porl Thompson)
5. Rara Avis: ”If 6 Was 9” (Jimi Hendrix)
6. MiDIval PunditZ: ”Four Sticks” (James Patrick Page & Robert A. Plant)
7. Ojos de Brujo : ”Get Up Stand Up” (Bob Marley & Winston McIntosh)
8. Los Mocosos: ”The Bed’s Too Big Without You” (Sting)
9. The Real Tuesday Weld: ” The Day Before You Came” (Benny Andersson & Bjoern K. Ulvaeus)
10. Shrift: ”God Only Knows” (Brian Douglas Wilson & Tony Asher)
11. Banco de Gaia: ”Echoes” (David Gilmo ur, Nicholas B. Mason, Roger Waters, Richard J. Wright)
12. MNO: ”Julia” (John Winston Lennon & Paul McCartney)

Klar, wer Geburtstag hat, bekommt Geschenke – wenn’s ein runder ist, allemal. Was aber eignet man einem der innovativsten und spannendsten Labels des Global Pop zum 10. Wiegenfeste zu? “Um unseren Geburtstag zu feiern, wollten wir etwas Überraschendes und Unvergleichliches auf die Beine stellen”, so Bob Duskis, einer der beiden Gründer des Hauses Six Degrees in San Francisco. “Wir lieben es, in der althergebrachten Vorstellung von ‚Weltmusik’ herumzustochern. Für mich ist die Musik der Beatles, der Beach Boys, von ABBA oder Bob Marley heute schon fast traditionelle Musik.” Was also lag näher, als einige Six Degrees-Künstler zu fragen, ob sie von ihrer globalen Warte aus Klassiker des “westlichen Pop” einer Frischzellenkur unterziehen würden? 12 Artisten aus dem Roster ließen sich nicht zweimal bitten, um zu diesem unorthodoxen Präsent-Dokument beizutragen, zwei davon heißen wir als völlig neue Interpreten im Label-Haus willkommen. Und so werden wir nun Ohrenzeugen, wie Patinabesetztes von Police, Pink Floyd, Page & Plant und Co. mit Noten von Latin, Rumba und Indien bis Chill Out und Global Dancefloor einen Feinschliff fürs Hier und Heute erhält - mal mit delikat eingeflochtenen zusätzlichen Spurenelementen, mal radikal entkernt und neuerfunden. Ganz in der Philosophie des “Backspins”, jener Bewegung, mit der ein DJ den Plattenteller zurückdreht, um in den Takt des parallel laufenden Vinyls überraschende Schnipsel einzubauen oder sich in ein neues Stück einzugrooven. Happy Birthday, Six Degrees!

Gerade hat er mit seinem Werk Broken English globales Popdenken für die Zukunft neu definiert, mit einem Hybridstil, den er “Rocktronic Organica” nennt. Ohne Zweifel ist KARSH KALE (sprich: körsch ka’le) einer der Avantgardisten unter den kosmopolitischen Pultkünstlern der USA. Der New Yorker mit indischen Wurzeln bündelt die Seismik der Hudson-Metropole so symbiotisch wie kein anderer, von Bhangra- und Bollywood-Farben, die aus den Apartments der South Asian-Immigranten in Jackson Heights, Queens dringen, über HipHop Brooklynscher und Bronxscher Prägung, bis zu den Electronica der Clubs von Chelsea, Lower Manhattan und d en Indierock-Sounds von der Lower East Side. Die befruchtende Verknüpfung von Mensch und Maschine ist seine Domäne – und wer wäre da prädestinierter, sich den Police-Track “Spirits In The Material World” vorzunehmen? Bei Kale wird das Reggae-Flair des Originals in eine massive Beat- Landschaft mit Spuren indischer Perkussion eingepasst – kein Wunder, dass der Indo-Amerikaner sich bei Sting persönlich schon Lob für dieses krachige Cover abholen konnte.

Herbie Hancock goes Downtempo à la Austria: dZIHAN & KAMIEN wurden aus dem fernen Österreich an die Golden Gate Bridge zitiert, um eine Geburtstagskerze anzuzünden. Dem Electro-Funk des Hancockschen Hits “Rockit” aus den frühen 1980ern haben die Wahl-Wiener VLADO DZIHAN und MARIO KAMIEN mit slawischen, deutschen, italienischen und schweizerischen Vorfahren hier einen pfefferscharfen Groove untergeschoben, der zwischen Latinrock und Afrojazz hin und her oszilliert. Hammondorgel, grunzend-knarzende Bassorganismen und eine flirrende Flöte als Protagonistin machen aus dem synthetischen Original ein quicklebendiges Wesen mit Hand und Fuß.

Kein Zweifel, GARRY HUGHES und ANDREW T. MACKAY alias BOMBAY DUB ORCHESTRA haben ein großes Faible für Filmmusik: Warum sonst hätten sie sich für ihr Six Degrees-Debüt, das vor gut einem Jahr erschien, ein 28köpfiges Streicherensemble aus Bombay an Land gezogen, um für ihre chilligen Soundscapes einen würdigen Breitwandklang zu erzeugen? Die ansonsten eher an Ambient- und Triphop orientierten Szenarien der beiden Briten bekommen auf der Geburtstagsparty einen überraschend handfesten Einschlag, bleiben aber cineastisch: Roy Budds seltenen Soundtrack zum Spion-Streifen “Get Carter” (1971) haben sie hier ausgegraben. Die Musik zum Film von Mike Hodges (starring Michael Caine) findet sich mit Cembalo, Fender Rhodes, Synthesizer-Gimmicks, Tabla und einer höchst tanzbaren Disco- Grundierung in einem virtuellen Terrain zwischen Asien und Amerika wieder.

NIYAZ haben den Six Degrees-Katalog mit einer betörenden Mixtur aus Sufi- Mystik und Club-Kultur bereichert. Das Trio um die exil-iranische Sängerin AZAM ALI stellt die Poesie des Dichters Rumi in einen urbanen, neuen Kontext und macht damit jahrhundertealte Spiritualität für den heutigen Musikhörer erlebbar. Die Metamorphosen-Künste von Niyaz machen aber auch vor der Pophistorie nicht halt. Hier haben sie sich den “Love Song” von The Cure geschnappt, und in eine sehnsüchtige, schmachtende Ballade mit dem Duft nahöstlicher Vokalisen verwandelt. Ein erstaunliches Komplett-Remake, das trotz allem noch von der Erbsubstanz des Originals durchwirkt ist.

Ein Neuankömmling in der Six Degrees-Heimstatt ist RARA AVIS, der sich mit einem denkbar breiten kulturellen Background schmücken kann. Klassisch trainiert, aber auch in anderen Disziplinen wie Blues, Jazz und Rock bewandert, hat der Kalifornier während der letzten fünfzehn Jahre vor allem im Electronica Bereich seine Fühler ausgestreckt, war ein Teil des Moontribe Collective im Süden des Sonnenstaates, das bei Vollmond kreative Zusammenkünfte abhält. In L.A. hat Rara seine elektronischen Vorlieben ausgebaut, sich dem Global Fusion-Projekt Zen Dancing & The Shaman’s Dream angeschlossen und arbeitet für das Produzententeam Desert Dwellers. Avis’ Spezialität: Opulente Downtempo- Kompositionen mit Exkursionen in den Tribal- und Trance-Bereich, voll mit psychedelichen Gitarren und jazziger Improvisation. Einen satt dosierten Eindruck davon verleiht sein Jimi Hendrix-Cover von ”If 6 Was 9” - mit dem Dancefloor- Remake huldigt er seinem größten Jugendidol, an das ihn seinerzeit sein Vater herangeführt hatte. Sein erster Six-Degrees-Release namens Shaktified ist auf der vom Label neu ins Leben gerufenen Reihe “Emerging Artists” erschienen. Mit dieser Serie stellen die Kalifornier neue Künstler mit Online-EPs vor.

Der Asian Underground ist tot, es lebe der Asian Underground – und zwar endlich auch im Motherland! So zumindest mag man ausrufen, wenn man die genialen Einfälle des Delhi-Duo MIDIval PunditZ vernimmt, hinter dem sich GAURAV RAINA und TAPAN RAJ verbergen. Seit 1994 stecken sie ihre Köpfe im Studio zusammen und haben mittlerweile im In- und Ausland eine treue Fan- Base aufgebaut, die von der Regisseurin Mira Nair bis hin zu Bill Laswell reicht. Die Brückenbauer zwischen Drum’n’Bass und indischer Tradition haben seit ihrer Jugend eine große Vorliebe für die Musik von Led Zeppelin gehegt. Dass sie hier also eine Komposition von Robert Plant und Jimmy Page vom ominösen No Quarter-Album recyclen, ist nur konsequent. Das Album schnupperte ja ganz kräftig in arabische Gefilde hinein und hat auch einen Bezug zu Indien: Der rockoperartige Titel “Four Sticks” wurde tatsächlich auf dem Subkontinent geschrieben, während die Altrocker dort auf Tour waren – ein Gruß geht nun also zurück mit dieser hochdramatischen Adaption, die für jeden Bollywood- Soundtrack als unumstrittene Klimax herhalten könnte.

Dass die OJOS DE BRUJO sich in der Reihe der Six Degrees-Gratulanten finden, mag überraschen – doch die Kalifornier betreuen die katalanischen Mestizo- Vordenker seit 2006 in den USA. Den transatlantischen Sprung feiert das Kollektiv aus Barcelona mit einer originellen Version von “Get Up, Stand Up”: Bob Marley wagt posthum den Sprung von Jamaica nach Cuba - denn während der Track noch mit einem Flamenco-Feel startet, mogeln sich immer mehr salsa-eske Rhythmen und Bläsersätze hinein, schließlich wartet in diesem Kunstgriff noch eine jener originellen Rap-Passagen auf, wegen derer die Ojos ihren Stil “HipHop Flamenkillo” betitelt haben. Nicht zuletzt, so deklarieren die flippigen Iberer, fühlen sie sich Marley auch wegen seines sozialen und antirassistischen Engagements verbunden.

Mit Brüdern und Schwestern aus dem Barrio geht es weiter: LOS MOCOSOS zählen zu den Galionsfiguren der Latin Community San Franciscos und haben uns schon auf zwei Six Degrees-Alben das Erbe von Santana und Konsorten vor Ohren geführt. Puertoricanisch, kubanisch, peruanisch, nicaraguanisch und jüdisch-guatemaltekisch sind die Gene des Nonetts aus dem Mission District – und auch sie haben sich für ein Cover von The Police entschieden. Die Universalität der britischen Wave-Pioniere ist damit einmal mehr erwiesen: Schon in d en Achtzigern verquickten die Herren um Gordon Summers alias Sting ja Reggae, Rock und Afro-Tupfer. Die “Rotzlöffel” (so die wörtliche Übersetzung von Los Mocosos) treiben es mit den Sounds der Polizei bunt weiter:”My Bed’s Too Big Without You” (ursprünglich auf dem legendären “Reggata De Blanc”–Album von 1979) wird hier mit einem Cumbia-Rhythmus und spanischen Versen unterfüttert.

Der kauzige Engländer STEPHEN COATES ist ein besonders schräger Vogel im Label-Roster. Als THE REAL TUESDAY WELD (benannt nach der gleichnamigen Schauspielerin) kreiert er Klang-Orchideen, die etwas von Hörspiel-Atmosphäre, von Cabaret-Flair, von Chanson und nostalgischem Soundtrack haben. Als Hommage an sein Label hat er ein spätes ABBA-Lied durch die Mangel gedreht: Das sentimentale “The Day Before You Came”, einstmals eine Art Schwanengesang der Schweden, kommt hier zu minimalistischen Ehren: Vibrierende Anachronistik- Keyboards und Coates’ hauchend-näselnde Stimmgebung stellen die verzweifelte Schwüle des Originals munter auf den Kopf.

Als sich die Smoke City-Frontfrau NINA MIRANDA und der Ethno-Electro-Freak DENNIS WHEATLEY aus London zum Duo SHRIFT vereinigt haben, war evident, dass aus dieser musikalischen Partnerschaft etwas Besonderes sprießen würde: Süß-romantische Elaborate mit Prisen aus Cinematoscope, Afro- und Brasil-Laune, aus Retro und Fantasy verwoben sich da zu raffinierten Soundscapes. Für das Geburtstagsständchen liefern sie eine ganz reduzierte, fast nackte Serenade, die nur mit der elfengleichen Stimme der weltbürgerlichen Brasilianerin und zarten Keyboards auskommt – basierend auf der schwelgerischen Hymne “God Only Knows” der Beach Boys, hier jedoch ganz befreit von den falsettartigen Chorschichtung en.

Wenn es jemanden aus dem Six Degrees-Aufgebot gibt, der sich an der Re- Kreation eines Pink Floyd-Werks versuchen kann, dann ist es TOBY MARKS alias BANCO DE GAIA. Die klingende “Weltbank”, die für das Label auf sieben Alben ein Füllhorn globaler Sounds zu tanzbaren Wunderwerken neu zusammengesetzt hat, gab sich allerdings nicht damit zufrieden, etwas Naheliegendes auszuwählen. Stattdessen nahm er sich den psychedelischen Longsong “Echoes” vor, der auf der LP Meddle von 1971 seinerzeit eine ganze Vinylseite in Anspruch nahm. Eine wahre Herausforderung, die Ursprungselemente (Echolot-Effekt, die Synthesizer-Humanoiden, Gilmours Gitarreneinlagen...) mit dem neuen Resultat abzugleichen. Das Ganze wurde – mit Humor und Liebe zu gleichen Teilen, wie Marks betont – auf floydianische Ausmaße von neun Minuten gestreckt.

Der Remixer, Komponist und Produzent MICHAEL EMENAU aka MNO pustet als zweiter Neuling nun die Kerzen der Geburtstagstorte aus. In Klassik und Jazz ausgebildet, arbeitete der Künstler zunächst als Orchestermusiker in Kanada, änderte dann seinen Fokus und zog nach Japan um, wo er im Bereich des Elektro-Jazz und der Electronica im allgemeinen Fuß fasste. Am populärsten wurde wohl seine Kontribution als Vibraphon-Spieler für die United Future Organisation (UFO). Ausgedehnte Reisen durch Asien, darunter Aufenthalte in Indien, Thailand, Malaysia, Vietnam, und Korea, hallen auf vielen seiner Werke nach. So auch in seiner gänzlich wundersamen Instrumental-Version des eher selten zu hörenden, introvertierten Beatles-Stücks “Julia” vom White Album, das einen unverkennbaren Hang zur balinesischen Gamelan-Musik offenbart.

Sting, McCartney, Marley, Björn & Benny im universellen Prachtgewand - wieder einmal kann man nur den Hut, den Fez, oder den Turban vor den Denkern der Bay Area ziehen und ihren Slogan “Everything is closer than you think!” unterschreiben.

 

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