Wer argentinischen Fußball mit Maradona gleichsetzt,
dürfte gar nicht mal so viel Widerspruch ernten. Die Musik Argentiniens aber
– oft geschehen - auf den Tango zu reduzieren, ist heute ein schwerer Fauxpas.
Gerade die Rockszene hat immer wieder belebende Impulse in die Welt geschickt,
man denke nur an Los Fabulosos Cadillacs, La Mosca Tsé Tsé oder das Go Lem
System. In den letzten Jahren sind in Europa acht Herren aus dem Herzen des
Weinanbaugebietes Mendoza zu den Lieblingen des Latinrock- und Mestizo-Zirkels
geworden.
Das “heilige Bonbon”, KARAMELO SANTO, quirlt unerhört
Ska, Cumbia, Chamamé, Salsa, Mambo, Mariachi, Reggae, Rock und Punk zu einem
süchtig machenden Teig. Nun laden sie zu einem knackigen Überblick über ihren
Karriere-Parcours ein.
Die Region um die argentinische Stadt Mendoza ist vor allem für eines bekannt
– ihren guten Rebensaft, der es auch bis in unsere Regale geschafft hat. Doch
in der Stadt gedieh seit 1993 auch ein anderes Gewächs, das - zugegebenermaßen
mit ein wenig anderer Zielgruppe – mittlerweile auch in Europa heimisch geworden
ist. Zunächst nannten sich die Jungs um die Sänger Guillermo GOY Ogalde und
Pedro PIRO Rosafa noch Perfectos Idiotas, sahen aber wohl schnell ein, dass
damit überregional kein Blumentopf zu gewinnen sei. Nach dem Beackern verschiedener
lokaler Bühnen wählte man also den griffigeren und vollmundigeren Namen KARAMELO
SANTO und spielte ein erstes Album namens La Kulebra
(1995) ein – benannt zwar nach einer kleinen, ungiftigen Schlange,
dennoch schon mit einem bissigem Stilmix legiert. 1997 der Wechsel in die
Kapitale: Das Oktett erwählt Buenos Aires’ Hafenvorstadt Boca als neue Homebase,
bezieht Quartier direkt neben dem großen Stadion La Bombonera und modelt das
neue Domizil in ein Laboratorium nebst Studio um, wo auch andere Bands produziert
werden. Für ihr zweites Album greifen sie nochmals nostalgisch den Namen Perfectos
Idiotas auf, veröffentlicht wird es auf dem legendären Rocklabel Todos
Tus Muertos. Wenig später nehmen sie Argentinien, Chile und Uruguay tourend
im Sturm, die USA und Mexiko folgen. 2000 schließlich hat Manu
Chao die Ehre, seine Shows in Mendoza und Buenos Aires vom Heiligen
Bonbon eröffnen zu lassen.
Señor Chao ist als Gast auch auf dem dritten Wurf der unorthodoxen Rockeiros
zu hören: Los Guanchos (2002) und mit dieser fulminanten
Scheibe, die Ohrwürmer “Negro”, “Nunca” und “Guerillero
” beinhaltet, etablieren sie sich auch in der Alten Welt – Konzertbesucher
dieser ersten Deutschlandtournee werden sich enthusiastisch erinnern. Doch
es kommt noch dicker: 2003 bricht man erneut zu den Gestaden Europas auf:
Drei Monate dauert diesmal die Tour, während der KARAMELO
SANTO auch an der Seite von Metallica, Jamiroquai und Coldplay rocken.
Haciendo Bulla (2004) heißt d er nächste Streich
der wilden Acht, übersetzt so viel wie: “Eine Menge Krach machen”. Mit diesem
Werk werden KARAMELO SANTO endgültig zum Aushängeschild
des zeitgenössischen Buenos Aires-Hafen-Rocks, das wiederum bis nach Europa
ausstrahlt.
Zurecht, denn Rock-Kenner, Mestizo-Manen und Weltmusikfreaks bekennen übereinstimmend,
dass das Gebräu der mittlerweile neun Mannen eines der anregendsten aus Lateinamerika
ist. Kaum ein Stil, den die Argentinos, deren aktuelles Line-Up nicht nur
Söhne aus Mendoza sondern auch Mitglieder von La Plata bis zum feuerländischen
Ushuaïa beherbergt, nicht integrieren. Trotzdem tönen ihre Songs nicht wie
ein willkürliches Patchwork, bleiben schlüssig und packend. Mal werden die
verzerrt schrammelnden Stromgitarren von GOY und messerscharfes Bläserblech
(Nahuel Aschei, Martino Gesualdi und Pablo Clavijo bilden den blasenden Dreier)
ausgepackt, im nächsten Moment schlurft man zur Cumbia-Rhythmik und folkloristischem
Akkordeon (Lucas Villafañe) über den Tanzboden oder man schunkelt zu Trompeten-
und Mandolinenklängen im gemütlichen Walzertakt. Ein Hardrock-Reggae-Knaller
alterniert mit Momenten weinseliger Innigkeit, die Gitarren mutieren flink
von Surf zu Offbeat zu Metalgetöse. Kurzum: der Sound changiert wild und unberechenbar
zwischen ländlich-idyllisch und urban-rotzfrech. Textlich geht es mestizenhaft
korrekt oftmals um politische und soziale Missstände - dafür liefern die Ereignisse
in Argentinien den beiden Sängern PIRO und GOY ja genug Zündstoff.
Eine turbulente Rundreise durch Rhythmen von der Pampa
bis in die Karibik, gebündelt im urbanen Sound von Buenos Aires - und nun
erstmals als Gesamtschau über eine ganze Dekade Bandgeschichte vorliegend.
Anspieltipps:
“Fruta Amarga” (1): Die “bittere Frucht” ist eine meisterhafte Adaption
eines Rubén Blades-Klassikers vom letzten Album Haciendo Bulla, mit vollmundigen
Geangsharmonien, gepfefferten Horns und wunderbarem Rockfeeling – ein Sommerhit
par excellence.
“Vas A Volver” (2): Alles, was den Karamelo Santo-Sound
so süffig macht, ist hier platziert: ein schunkelndes Cumbia-Akkordeon paart
sich mit gut gelaunten Offbeat-Gitarren, einem Mitsing-Refrain und Blechgewürz.
“La Kulebra Del Amor” (7): Der Klassiker der Band
schlechthin: Folkloristische Mariachi-Trompeten in aufgekratzter Eintracht
mit polterndem Ska-Galopp.
“Skalibur” (12): Ein hochenergetischer Ska-Kracher
aus der Frühzeit der Band, der mit schweren Rockriffs beginnt und dann in
eine bläserschwangere Party-Explosion einmündet.
zurück
zur EXIL Homepage |
oder zum Gesamtkatalog
|
© EXIL MUSIK GmbH - 91593
BURGBERNHEIM - T 09843-95959 - F 09843-95900 - email: office@exil.de
Abdruck für Presse & Online-Medien erlaubt, Belegexemplar bzw Link erwünscht