Putumayo Presents:

New Orleans

 

EXIL 5666-2 / LC 08972 / VÖ: 24.01.2005 / DISTRIBUTION: INDIGO

Putumayo Goes Jazz? Und ob! Nur auf den ersten Blick scheinen die Schwarz-Weiß-Ästhetik des Jazz und die knallbunt-globale Ausrichtung des Weltmusik-Labels sich zu widersprechen. Denn am dicken Ende seines Stammbaumes war der Jazz ja keineswegs eine rein akademische Angelegenheit. Gerade in New Orleans ist er seiner Ur-Attitüde bis heute treu geblieben: Ungezwungen mischten sich afrikanische, karibische und französische Töne, siedelten die Bläser der schwarzen Marching Bands neben dem Blues des Mississippi-Deltas, neben Gospel und Dixieland, entwickelte sich die hohe Kunst der individuellen Improvisationslinien, tobte der frühe R&B. Von der vorletzten Jahrhundertwende bis zum heutigen Tage hat die ‘Crescent City’ eine endlose Parade von Koryphäen hervorgebracht, die allesamt Jazzgeschichte geschrieben haben: Vom vielleicht einflussreichsten Musiker der Welt, Louis Armstrong, über den R&B-Giganten Dr.John bis hin zu heutigen Jazzstars wie Nicholas Payton und Kermit Ruffins. Sie alle kreier(t)en eine Musik, in der sich wie in einem kreolischen Eintopf unzählige Ingredienzien tummeln — und die sind nach ihrer Vermengung trotzdem alle klar unterscheidbar und sorgen für wohlige Explosionen im Gaumen, respektive den Gehörgängen.

Nachdem Putumayo unsere Begeisterung für die Musik Lousianas schon mit der R&B-Platte Louisiana Gumbo, den folkigen Sounds von Cajun und dem bodenständig-rockigen Zydeco entfacht hat, ziehen wir nun den Hut vor der genuinsten Musik der Südstaaten und ihrem globalen Siegeszug, mit clever zusammengestellten Exempeln aus fünf Jahrzehnten. Begleitet wird New Orleans von einer zweiten Platte, die rechtzeitig zum Mardi Gras dem innovatien Trompeter Kermit Ruffins mit teils vergriffenen Aufnahmen huldigt. Und jetzt viel Spaß bei unserem Gang durch die Gassen und Viertel "down in New Orleans"!

KERMIT RUFFINS gilt unter allen Erneuerern des New Orleans-Jazz als der mit dem frischesten Drive und seine Musik garantiert zugleich, dass die Brücken zum Erbe der Marching Bands nicht unterbrochen werden. Der Trompeter und Sänger gilt als legitimer Nachfolger Louis Armstrongs und hat seit den 1980ern entscheidend in der Szene der Crescent City mitgemischt. Damals hob er nämlich die Rebirth Brass Band aus der Taufe, eine der bedeutendsten Combos auf dem Revival-Schauplatz des alten Jazz. Seit 1992 ist er solo zu Gange, was auf ansehnlichen sieben Alben dokumentiert wurde. Selten spielt sich eine second line, jene intime Parade der schwarzen Musiker, im Gegensatz zu den groß angelegten Boulevard-Umzügen des Mardi Gras — ohne Kermitsche Beteiligung ab, und in dieser karnavalesken Laune kennen wir ihn schon von Putumayos Carnival-Kompilation. In "Drop Me Off In New Orleans" spiegelt sich respektvolle Verbeugung vor Vergangenem wider, aber auch die fein abgestimmte Modernisierung des New Orleans-Sounds. Zeitgleich mit der vorliegenden Kollektion können wir uns übrigens über eine Zusammen-stellung teils vergriffener Ruffins-Recordings auf Putumayo freuen, dieser Track stammt vom 2001-Album 1533 St.Philip Street.


Ein weiterer Jungspund der Jazztrompete, der von New Orleans aus internationale Bekanntheit erlangen konnte, ist
NICHOLAS PAYTON. Das gedämpfte und doch kecke Instrumental-Intro in "I Gotta Right To Sing The Blues" lässt keinen Zweifel an seiner Herkunft, avancierte er doch als einer der herausragenden Botschafter der louisianischen Metropole weltweit. In der launig synkopierten Nummer teilt sich Payton die Solopräsenz mit dem Sänger und Trompeter Doc Cheatham aus Nashville. Als dieser in Chicago Louis Armstrong spielen hörte, war klar, dass der New Orleans-Style fortan immer ein fester Bestandteil seines Programms sein würde. Ein meisterliches, im Original vom Verve-Label eingefangenes Treffen der Generationen, das durch bluesige Lyrics abgerundet wird, zugleich eine trefflicher Nachruf auf Cheatham, der 1997 verstorben ist.

Als TV-Show-Titan der 1930er und 1940er ging LOUIS PRIMA in die Geschichte der US-amerikanischen Populärmusik ein — legendär sind z.B. seine Auftritte in der Ed Sullivan Show. Gebürtig ist der Mann mit italienischen Vorfahren jedoch aus New Orleans, und hier huldigt er mit einem Klassiker seiner Heimatstadt: Der "Basin’ Street Blues", 1928 von Spencer Williams komponiert und seitdem unzählbar gecovert, erzählt von der berühmten Straße und dem umgebenden anrüchigen Storyville-Viertel, das von 1897 bis 1917 als lebensnaher Nährboden vieler früher Jazzgrößen fungierte — bis es von der US Navy geschlossen wurde, da die um die moralische Gesundheit ihrer Offiziere fürchtete. Primas Version greift den Evergreen in klassischer Besetzung auf.

Die PRESERVATION HALL HOT 4 hat der jüngeren Geschichte des New Orleans-Jazz wieder auf die Sprünge geholfen. 1961 von Alan Jaffe und seiner Ehefrau Sarah ins Leben gerufen schuf die Band mit ihrem Headquarter in der St. Peter Street eine Heimstätte für den damals vom Niedergang betroffenen Jazz der Stadt. Einstige Legenden, die mit Louis Armstrong oder Pops Celestin gespielt hatten, erlebten hier ihren zweiten Frühling. Die Presevation-Truppe wird in "Wrap Your Troubles In Dreams" verstärkt vom 2003 gestorbenen DUKE DEJAN. Er gehörte mit seiner Olympia Brass Band zum festen Inventar der Hall, die bis heute eine Touristenattraktion des französischen Viertels ist (www.preservationhall.com).


Unverkennbar sind die Reverenzen an die große Dame des alten Blues, Bessie Smith, wenn TOPSY CHAPMAN ihre Stimme erhebt. Auf dem Lande, in Kentwood, Louisiana aufgewachsen brachte es die Chapman bis zu Broadway-Popularität und tourte durch Europa.
"Baby Won’t You Please Come Home" demonstriert neben der selten erreichten Blues-Intensität auf der vokalen Seite auch eine Eigenheit des New Orleans-Jazz, der stilbildend für die gesamte Jazzhistorie seit dem Swing wurde: Die Abfolge von verschiedenen Soli, mit denen die verschiedenen Solisten ihre Visitenkarte abgeben.

Export des New Orleans-Sound zum nördlichen Nachbarn Kanada? Auch das gibt’s natürlich, wie die Vita von KEVIN CLARK demonstriert. Aus seiner Heimat nahm der Trompeter die Musik mit zum neuen Standort Toronto. Für seine Veröffentlichung Jazz Revelation hat er Musiker aus der gospelorientierten Szene zusammengebracht, die die spirituellen Hymnen mit dem Blues paaren — ganz in der großen Tradition von New Orleans. "Devil Done Got Me The Blues" stammt aus diesem Schmuckkästchen und ist gleichermaßen ein Paradebeispiel dafür, wie individuelle Instrumentallinien zu einem wunderbaren Ganzen zusammenschmelzen können.

Und nun der Altmeister himself: LOUIS AMRSTRONG steuert natürlich auch sein Scherflein zum New Orleans-Portrait bei, in der Gesellschaft seiner All Stars, die von nicht wenigen Kritikern für seine beste Combo gehalten werden. 1966 eingespielt featuret der "Tin Roof Blues" Buster Bailey an der Klarinette und Marty Napoleon am Klavier, mit denen sich Satchmo hier in feinster Musizierlaune unterhält. Auch wenn dies eine späte Aufnahme der Legende ist, sein erzählerischer Stil, die intime Atmosphäre und der atemberaubende Trompetenton zeigen ihn in Hochform.

Nochmals gebührt dem "Basin Street Blues" die Ehre, diesmal jedoch in komplett anderem Gewand: Seit den 1950ern agiert der Pianist und Musikologe Mac Rebennack alias DR. JOHN umtriebigst. Er ist einer der Giganten der Crescent City, der in nahezu jedem Stil von R&B über Rock’n’Roll bis zum Jazz und Funk seine Klangspuren hinterlassen hat. Hier unterzieht er in einer Session von 1992 den Delta-Klassiker einem rundum erneuerten Treatment. Eine ureigene Kreation ist daraus geworden, mit bezwingendem Honky-Tonk-Piano, ansehnlicher horn section, flotten Klarinetten-Intermezzi und frei nach Schnauze umgemodelten Lyrics — ganz so, wie es das Markenzeichen des bärbeißigen Allrounders will.

Nochmals Visite von einem Doktor: Ein kurioses Gewächs ist "Give It Up (Gypsy Second Line)" aus der Feder von DR. MICHAEL WHITE. Beim Komponieren des Kleinods ließ er sich von der Musik der Zigeuner und jüdischem Klezmer inspirieren und spielt zugleich auf die musikalischen Umzüge an, die zur Mardi Gras-Saison durch die kleinen Gassen ziehen. White brilliert mit seiner Klarinette in einer bezaubernden Combo, die diese intime Atmosphäre perfekt nachzeichnet. Seinen Doktortitel hat der Musikant aber aus einer anderen Disziplin: White ist Professor für Spanisch und afro-amerikanische Musik an der städtischen Xavier University.

DEACON JOHN zählt seit Jahrzehnten zu den lokalen R&B-Recken der Crescent City und ist in allen Musikerkreisen der Stadt ein geschätzter Partner. Da erstaunt es kaum, dass auf "Going Back To New Orleans" Dr. John am Piano sitzt, während Deacon sich an der Gitarre hervorhebt und die Vocals beisteuert. Eine schöne Verbeugung vor dem Rhythm & Blues des heutigen wie des ehemaligen New Orleans.

Nochmals jauchzt die Klarinette von DR. MICHAEL WHITE im Finale auf, vereinigt sich nun mit dem Gesang von GREGG STAFFORD. "Bye & Bye / Saints" präsentiert nochmals die Tugenden des New Orleans-Jazz: spontane Spielfreude, Improvisationen, bei denen jeder Instrumentalist zum Zuge kommt und eine verblüffende Vereinigung aller individueller Linien — zum wohlbekannten Spiritual-Ausklang "WhenThe Saints Go Marchin’ In".

Gelungener Einstand: Auch mit jazzigen Klängen hält das bunte Label aus New York den gewohnt hohen Sampler-Level mit einer hinreißenden Mischung aus traditionellen und innovativen Sounds zwischen frühem Jazz, Blues, Dixie und R&B.

 

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