Papa Wemba

Somo Trop

EXIL 3244-2 LC 08972 VÖ: 17.11.2003 DISTRIBUTION: INDIGO

"Schillernd" - regelrecht inflationär wird in der Musikpresse auf dieses Attribut zurückgegriffen, um insbesondere Künstler anderer Kulturen zu preisen. Was aber soll man über einen Mann sagen, der schon in den späten Sechzigern die kongo-lesische Rumba revolutionierte, als Mode-Freak im feinen Zwirn und Stammeskrieger gleichermaßen posierte, von Tokyo bis Kinshasa einem König gleich verehrt wird, eines der erfolgreichsten Weltmusik-Alben aller Zeiten eingespielt hat und kürzlich wegen Menschenschmuggels angeklagt wurde? Wahrhaftig, Papa Wemba ist ein "Schillernder" mit allen kontroversen Schattierungen, die weit über das Terrain der afrikanischen Musik hinausreichen. Nun, nach über 20 Alben und 35 Jahren Karriere, hat er aller gesetzlichen Querelen zum Trotz gerade zu einem Magnum Opus ausgeholt: Eine Doppel-CD in Partnerschaft mit nicht weniger als drei Combos, eingespielt zwischen Kinshasa und Paris, festigt seine Pole Position als Rumbarock-Riese auf heimischem wie inter-nationalem Parkett.

Es war 1969, als ein paar Jungs aus Kinshasa zum Spaß eine Studentenband gründeten. Die kongolesische Musik wird noch von den klassischen Rumba-Orchestern dominiert, Franco und Tabu Ley regieren über das Tanzparkett. Da sich die Kommilitonen keine Blechbläser leisten können, ersetzen sie den Bigband-Sound durch E-Gitarren, zugleich wird das Tempo des Rhythmus angezogen und von einem Drumkit gespielt. Der Clou dieser Band, die sich Zaiko Langa Langa nennt, ist aber die irre hohe Falsett-Stimme ihres Leaders, des 20jährigen Papa Wemba, den man bald mit dem Spitznamen "Nachtigall" belegt. Mit ihrer Sound-Provokation etabliert die Band einen an westlichen Vorbildern orientierten "New Wave" im Herzen des Schwarzen Kontinents, auf ihrem Rumba-Rock bauen viele Bands der neuen "Halbstarken" auf. Im Zuge der Authentizitäts-Kampagne von Staatspräsident Mobutu kann die Musik von Zaiko Langa Langa florieren und erlangt nationale Bedeutung.

Über verschiedene kurzlebige Ensembles führt Papa Wembas Weg zur Gründung von Viva La Musica (1977), einem Kollektiv, das in veränderter Besetzung bis heute Bestand hat und dessen Name sich auf einen LP-Titel des Salsa-Stars Johnny Pacheco bezieht — er ist neben Otis Redding das größte Idol Wembas. Legendär werden hier von Beginn an die vom melodischen Überschwang geprägten Gitarrengirlanden des Rigo Star, den der Leader schließlich auch auf seine erste Europatour mitnimmt. Die absolviert er mit Afrisa International, der Band des Kollegen Tabu Ley, und dank der Vermittlung des älteren Kollegen bekommt er hier auch erstmals Kontakte zu europäischen Promotern. Fortan wird er sowohl in der Heimat als auch in der afrikanischen Diaspora Europas als Ikone verehrt, zum einen für seine Lieder, zum anderen auch für sein Engagement in der sogenannten SAPE-Bewegung. Deren Vertreter üben durch das Tragen teurer Designer-Klamotten quasi Revanche an den ehemaligen Kolonialherren: Man will zeigen, dass auch das arme Afrika sich nach Lust und Laune mit den Attributen des Kapitalismus schmücken kann. Amati und Yamamoto sind nun exponierte Begleiter bei jeder Papa Wemba-Show, in Ehrerbietung an seine Vorfahren jedoch wechselt der zu Clownerien neigende Sänger den westlichen Zwirn regelmäßig ein gegen die traditionelle Kriegerkleidung seines Stammes, der Tetela.

Unterdessen werden die Fäden nach Europa weiter gesponnen: Mit Malimba nimmt der Kongolese erstmals ein Album mit einem europäischen Produzenten, namentlich Hector Zazou auf, nach seiner Übersiedlung nach Paris 1986 folgt L’Esclave unter der Ägide von Martin Meissonier (der kürzlich mit dem Raï-Reggae-Projekt Big Men wieder von sich hören machte). Schließlich - seine Popularität reicht mittlerweile durch gefeierte Tourneen bis nach Japan — lernt er Peter Gabriel kennen, für dessen Label Real World er bis 1998 drei Alben einspielt. Das mittlere aus der Trilogie, Emotion, wird zu einem der prominentesten Worldmusic-Alben überhaupt, enthält Stücke eines damals noch aufstrebenden Songwriter-Landsmannes namens Lokua Kanza und greift sogar auf klassischen Soul zurück.

Doch nur scheinbar hat sich der große Papa von seinen afrikanischen Wurzeln entfernt. 1996 veröffentlicht er für sein heimisches Publikum gleich zwei Alben: Auf Pole Position und Nouvelle Écriture wird der unwiderstehliche Groove des Soukouss, von den Europäern als verallgemeinernder Begriff für die gesamte kongolesische Musik der Post-Rumba-Ära adaptiert, mit Rap, Salsa und Funk aufgemischt. Einmal mehr ist Papa Wemba im Zentrum zentralafrikanischer Musikrevolution. Und in den darauffolgenden Jahren ist auch nichts von Altersmilde des charismatischen Crooners zu spüren: Für die letzten Projekte scharte er heimatliche und internationale Prominenz von Tito Puente bis Ray Lema um sich, eint flexibel Okzidentales mit den Facetten des Kongo, investiert zugleich in den Aufbau der musikalischen Infrastruktur seines Landes.

Genau diese Ambitionen verfolgt er auch mit seinem neuesten Werk Somo Trop, das unter recht abenteuerlichen Umständen zwischen Paris und dem Kongo entstand und in den Credits mit Sec Bidens sowie Souzy Kasseya zwei der versiertesten afrikanischen Produzenten überhaupt vereinigt. Wembas ursprünglicher Plan sah vor, das gesamte Album mit einer neuen Band aus Kinshasa einzuspielen. Damit wollte er ihr die Möglichkeit geben, sich auf internationaler Ebene zu präsentieren. Nouvelle Ecrita nennen sich die Jungs, die denn auch auf etlichen Songs des endgültigen Opus zu hören sind. Der Rest allerdings musste in Paris in trockene Tücher gebracht werden, und dies nach einer unvorhergesehenen, mehrmonatigen Zwangspause. Die hatte der Star in einem Gefängnis fristen müssen. Vorwurf: Menschenschmuggel. Musiker, die er zu Studioaufnahmen nach Europa gebracht hatte, hätten sich, so die Behörden, klammheimlich abgesetzt und wurden so zu illegalen Immigranten. Papa Wemba soll zudem für die ganze Aktion bezahlt worden sein. Was an der Geschichte dran ist, wird erst ein Prozess im nächsten Jahr zeigen, der Sänger steht seit seiner Freilassung unter polizeilicher Beobachtung. Eine Reise nach Afrika — no way. Also mobilisierte der Rumba-Papa einige Kollegen von der altgedienten Viva La Musica-Clique, tat sich außerdem mit neuen Gesichtern der afro-parisianischen Gemeinde zusammen, die unter dem Namen Tendance firmieren. Und flugs hatte man gar genug Material für ein Doppel-Album zusammen, das nun ein spannendes Protokoll jener turbulenten Zeit darstellt.

Zum einen finden wir auf Somo Trop 11 Stücke mit den Youngstern von Nouvelle Ecrita, die ein Spektrum von tumultösen bis balladesken Grundstimmungen abdecken. Hier tritt Papa Wemba in die zweite Reihe zurück. Ungezähmt breitet sich der partytaugliche Ndombolo-Sound in epischen Stücken aus, jener dernier cri der Soukouss-Generation mit überschäumender Sprechgesang-Animation, pumpendem Bass und ungebremsten Gitarren-Girlanden. Gleichzeitig kann der Kinshasa-Nachwuchs aber auch eine Stufe zurückschalten, auf kubanische Anklänge zurückgreifen und den großen Papa gar mit vokalem Schmelz brillieren lassen. Die übrigen Stücke spiegeln die Zeit nach der Inhaftierung wider: Uptempo-Passagen, die die Viva-Musiker meisterhaft und souverän auskleiden, wechseln mit ruhigeren Momenten ab. Hier sinniert Wemba über die einsame Zeit hinter Gittern und will von seinem dort neugefundenen Glauben an Jesus künden.

Anspieltipps:

- "Muana Tokyo" (II/8): Bezwingender Chorgesang mit Papa Wembas geschliffener Stimme an der Spitze steigert sich allmählich in eine nicht zu stoppende Ndombolo-Party.

- "Nako Décider" (I/9): Unverkennbar blitzen hier kubanische Muster in der Rumba auf, ein Paradebeispiel moderner Afro-Latin-Musik mit schönen Männerstimmen und pointierten Gitarrenlicks.

- "Alanga Nzembo"(II/2) & "Numéro D’Ecrou"(II/3): Nirgends kommt sein Vokalvermögen so zur Geltung wie in diesen abwechslungsreichen Nummern, in letzterer reflektiert er seine Bekehrung.

Papa Wemba bringt sich mit dieser Doppel-CD ins Zentrum der Weltmusik zurück: sowohl als Zeremonienmeister der älteren und hippen Rumba- und Soukouss-Facetten wie auch als Förderer junger kongolesischer Talente.

 

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