Putumayo Presents:

African Groove


EXIL 2524-2 | LC 08972 | VÖ: 14.04.2003 | DISTRIBUTION: INDIGO

Der Beat und Afrika - es ist eine Binsenweisheit, dass diese zwei eine untrennbare Einheit bilden. In den Volkshochschulen jeder Kreisstadt mit ihren Trommel- und Afrotanz-Kursen dürfte sich dieses Bewusstsein mittlerweile fest verankert haben. Dass sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Herzland des Schlagwerks aber auch elektronische Klangutensilien der westlichen Welt eingenistet haben, mit denen afrikanische Künstler traditionelle Rhythmen und Gesänge knackig-kontemporär fürs Tanzparkett der Clubs einkleiden, ist eine neue Entwicklung. Auch DJs und Pult-Freaks aus Europa und den USA begleiten das Phänomen mit eigenen Afro-Elaboraten. Ruppige Buschharfe und House-Patterns, HipHop und Wolof-Verse, Afrobeat à la Fela mit Sampling, Volta-Soul und Rap vom Kap — in diesen Vermählungen spiegeln sich neue brodelnde culture clashes, die ihren Siedepunkt gerade erst erreichen. Nach der Groove-Trilogie mit ihren Ausflügen in asiatische, arabische und lateinamerikanische Welten kehrt der Beat nun also in einem weiteren Kapitel der Putumayo-Geschichte an seine Quelle zurück. Und mehr noch als bei den vorangegangenen Releases gilt: was ungehört und unerhört ist, kommt für die Groove-Collection gerade recht. Denn nur ein kleiner Teil aus dem vollen Dutzend der versammelten Stücke wurde bislang in Deutschland anderweitig veröffentlicht. Fast restlos begegnen wir Raritäten, die ihre Ursprungsländer bis dato kaum verlassen haben, spannenden Remix-Resultaten oder Dancefloor-Perlen, die auf dem Markt bereits vergriffen sind.

Für global Hörende ist Bamako nicht erst seit dem letztjährigen Afrika-Cup auf den internationalen Plan getreten. Malis Hauptstadt fungiert seit Jahrzehnten als Tummelplatz der Musikprominenz, nicht zuletzt dank Habib Koite und Salif Keita. Der neue "Elektro Bamako-Trend" allerdings wird von einem Franzosen gesteuert: Yves Wernert hat sich in den Bogolan Studios eingenistet, um mit bis dato unbekannten Sängern eine Fusion aus Electronica und vorrangig Wassoulou-Wurzeln aus dem Süden des Landes schmieden. Sein Lieblingspartner ist Issa Bagayogo, der mit seinen beiden Alben vom Hirsefarmer und Busfahrer zum Liebling der Kids avancierte. Die rufen ihn seitdem nur noch "Techno-Issa". Auch in Europa kommt die elektrisierende Koppelung von Savanne und Sequenzer, von knochentrockener kamalengoni (Buschharfe), bluesiger E-Gitarre und Rhythmusbox mittlerweile an: Bagayogos "Timbuktu" avancierte 2002 zu einem der meistgespielten afrikanischen Alben im Radio (3. Platz der Jahreswertung der World Music Charts Europe). In einem Outtake aus dem Werk, "Saye Mogo Bana" (1), wird den aus der Mande-Tradition geprägten Lyrics zum Thema Tod ein zeitgemäßes Umfeld bereitet: "Der Tod wird dein Fleisch hinwegspülen, aber dein Name wird bleiben."

Traditionelle Lebensweisheiten greifen in ihren Texten auch Badenya - Les Frères Coulibaly auf, wie in ihrem Reverenzlied an die Eltern, "Boroto" (2). Die achtköpfige Familienband schöpft aus dem wichtigsten kulturellen

Knotenpunkt Burkina Fasos, der Stadt Bobo Dioulasso, wo sich die Lebenslinien der malischen, ivorischen, nigrischen und ghanaischen Völker kreuzen. Balafon, Djembe und Talking Drum legen die Basis für die stolze Griot-Stimme von Souleymane Coulibaly, ein gemächlich stampfender Groove unterstreicht die Erhabenheit des Stücks.

Schon auf dem Putumayo-Release "Global Soul" (1/2003) wurde Afrika auf seine überraschend innovative Rolle bei aktuellen R&B-Tendenzen abgeklopft. Madeka aus dem Volk der Baoulé eröffnet nun ein weiteres Kapitel. Die

Sängerin konnte schon Erfahrungen als Backgroundstimme von Landsmann Alpha Blondy sammeln und formte auf drei Alben ihren prägnanten Stil aus Funk, Rap und Soul, gemixt mit den Wurzeln der Elfenbeinküste. Für ihren neuesten Output umgibt sie sich mit Könnern wie Christian Poloni, der den Opener für Santanas Mega-Seller "Supernatural" geschrieben hat und dem karibischen Produzenten Roland Brival, vormals in Diensten der Zouk-Giganten von Kassav’. Auf dem funkigen "Mokote" (3), einem schlagkräftigen Zwitter aus französischer Rapnummer und Afropop, werden Erinnerungen an die besten Zeiten einer Angélique Kidjo wach.

Ein Afro-Karibianer, der in der Bretagne lebt und in einer Fantasiesprache singt — klingt wie eine Fantasie-Biographie, ist aber Realität. Gebürtig in Benin, kam Julien Jacob schon als Knirps nach Frankreich, wo er mit einer Mixtur aus der karibischen Kultur seiner Eltern sowie Jazz und Pop aufwuchs. Er entwickelte nicht nur Fähigkeiten im Songwriting, sondern hat mittlerweile auch fünf Bücher geschrieben. In der Abgeschiedenheit eines bretonischen Dorfes schließlich traf er auf das Duo Ghislain Baran und Thierry Nedelec, die dezente, durchweg elegante Maschinenbeats um die Lieder des Songschreibers bauten. "Kalicom" (4) ist so ein Kleinod, das trotz elektronischer Zugaben durchaus Unplugged-Charakter bewahrt hat. Das liegt sicher am rustikalen Umfeld des Monsieur Julien — und seiner smarten Nonsens-Poesie.

Ganz und gar kein Nonsens steckt hinter dem Namen von A Peace of Ebony, bildet er doch das programmatische Akronym für "Positive Existence Allowing the Cultural Expression of Ebony" - wow! Mit diesem selbstbewussten Statement zur Festigung afrikanischer Identitäten war das Quintett in Zimbabwe einst an den Start gegangen, und ohne Zweifel zählen Songs wie "Vadzimu" (5) mit seinem schlüssigen Link zwischen traditionellen Gesangsmustern, Daumenklavier und Rap-Blöcken zu den besten Elaboraten junger afrikanischer Künstler. Hochverdient trugen A Peace Of Ebony 1994 den begehrten Prix Découvertes von Radio France Internationale nach Hause, stets ein Gütesiegel in der Popwelt abseits des Mainstream. Leider ist die progressive Formation

inzwischen auseinandergegangen, trösten können wir uns mit Chiwoniso — die Front-Vokalistin der Band macht inzwischen auch solo kräftig Wind.

Der Mitzwanziger Harrison Ngunjuri musste sich während der Adoleszenz mit seiner Schwäche für Reggae-Stars wie Marley und Tosh gegen seinen ultra-

religiösen Vater behaupten. Später - aus Harrison war Hardstone geworden - begann er dann auf den Vorortstrassen von Nairobi zu rappen, trat in der Schule und bei Varieté-Shows und Hochzeiten auf. Um eine solche,

allerdings um eine unselige, geht es in seiner Erfolgsnummer "Uhiki (Pinye‘s Remix)" (6), die der nun in den Staaten lebende Kenianer im Verbund mit Produzent Tedd Josiah zu einem vocoder-infizierten Ohrwurm entwickelt hat.

Positive Black Soul war Mitte der Neunziger einer der ersten HipHop-Acts des Schwarzen Kontinents, der auch in Europa zur Kenntnis genommen wurde. Als MC Solaar die Dakarer Jungs um Didier Awadi und Amadou Barry in seinem Vorprogramm auftreten ließ und sie eine Gastrolle auf Baaba Maals "Firin’ In Fouta"-Album bekamen, stieg ihr Stern zügig empor. Mit anfänglicher Skepsis bedacht, er-rappten sich die Senegalesen dadurch Glaubwürdigkeit, dass sie die politischen Kommentare über ihr Umfeld zumeist in Wolof und nicht in Englisch vortrugen. Vom afro-amerikanischen Vasallentum ist das meilenweit entfernt, wie auch das mit einem Reggae-Groove unterminierte "Wouyouma" (7) deutlich macht.

Aus der Afro-Community Nizzas dringen die Groove-Tüfteleien des Kameruners Dady Mimbo. Der kann auf einen diversifizierten Background zurückgreifen: Seine Mutter ist Nigerianerin, der Vater stammt aus dem Tschad und Dady wuchs mit den Sprachen der Haussa und des Nomadenvolkes Fulbe auf. Als Djembe-Meister, Bassist, Komponist und Arrangeur webt er auch sein Engagement für die Einheit des afrikanischen Kontinents in seine Kreationen ein. In "Bouba"(8), einem relaxten Midtempo-Song, kreisen die Lyrics um die Vorsicht vor falschen Versprechungen, die von außen nach Afrika hineingetragen wurden. Und als kuriose biographische Randnotiz sei noch vermerkt: 1985 begab es sich, dass der Eklektiker sich gar mit dem einstigen Can-Gitarristen

Michael Karoli zu einem Studio-Stelldichein einfand.

Schon als Eröffnungs-Act auf Putumayos "Euro Lounge" (3/2003) angeheuert, holt das DJ-Duo Rob Garza und Eric Hilton aka Thievery Corporation nun ein neues Eisen aus dem Feuer der Washingtoner Klangschmiede. "The Lagos Communiqué" (9) verweist schon im Titel auf die offenherzige Spielerei mit Afrobeat-Strukturen im Stile des großen Fela Kuti. Ein exzellenter Schaukasten für das Vermögen des Turntable-Doppelgestirns, aus latin-getönten Blechbläsern, Sitargeflirre und einem Afro-Chor eine völlig neue virtuelle Sounddimension ins Leben zu rufen. Gleichzeitig eine Rarität, da die 12’-Single bereits vergriffen ist.

Ein Italiener in New York — Moreno Visini hat nach einer schillernden Odyssee einen neuen Hafen gefunden. Seine Neigung, weltmusikalisches Material mit elektronischen Settings zu verquicken, entdeckte er schon im London der Achtziger, wo er in regem Kontakt mit dem Sound der asiatischen und arabischen Gemeinden stand. Ein Interludium bei der obskuren amerikanischen Rockband The Indians leitete dann seinen Absprung in den Big Apple ein. Unter dem Pseudonym The Pleb betätigt er sich nun unter anderem auch als genialer Bauherr über afro-gefärbte Konstruktionen, wie etwa in "One For Senegal" (10): Ein Afrobeat-Gerüst vermählt sich hier schlüssig mit einem Sample aus Toure Kundas "Amadou Tilo", das Ismael und Sixu Toure 1983 ihrem verstorbenen dritten Bruder gewidmet hatten.

Kwaito ist eine wichtige Komponente in den Songs der African Rhythm Travellers. Als erstes Post-Apartheid-Genre vereinigt der urbane Stil HipHop, Rap, Dub und Dancehall zur neuen Musik der südafrikanischen Jugend. Das Septett aus Johannesburg kreiert einen höchst tanzbaren Stilmix, Resultat des breit gestreuten Spektrums der verschiedenen Mitglieder. In "Khululuma" (11) kommen noch engagierte Verse hinzu: "Befreie Mutter Afrika und all ihre Kinder, hör mit der Gewalt auf, denn so viele sind gestorben und konnten von Freiheit nur träumen. Wir brauchen keine Kriege mehr, Schwarz und Weiß müssen sich vereinen."

Eine weitere zeitgenössische Facette südafrikanischer Musik präsentiert sich im finalen Track. Vom Reggae-Star Lucky Dube entdeckt und viele Jahre mit auf Tour genommen, wurde Ndumiso Nyovane bald zu einem der begehrtesten Session-Musikern zwischen Johannesburg und Kapstadt, unter anderem für den Popstar Dr. Victor (der Doktor ist auch auf dem kürzlich erschienenen "African Playground" (2/2003) vertreten). Auf "Mofolo Hall" (12) knüpft Ndumiso an einen der ganz Großen seiner Heimat an — unverkennbar schwebt Hugh Masekelas Spirit in den Trompetenklängen, die zu einem funky Kwaito-Riff gesetzt sind.

Machtvoll basslastig, quirlig funky, dezent clubbig - der neudefinierte Pulsschlag des Schwarzen Kontinents hat viele entdeckenswerte Gesichter - innerhalb und jenseits von Afrika!

 

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