Gilberto Gil

Z

EXIL 2239-2 LC 08972 VÖ: 27.01.2003 DISTRIBUTION: INDIGO

 

Gilberto Gil, einer der Taufpaten der Música Popular Brasileira, feierte im Juni 2002 seinen 60. Geburtstag. Von der Aura einer grauen Eminenz allerdings ist der Sänger aus Bahia, derzeit rührig wie kaum einer seiner Landsleute, weit entfernt. Ein Gipfeltreffen mit Milton Nascimento, ein vielgerühmtes Reggae-Tribute Album an Bob Marley und ein fulminantes Programm mit Forró-Musik sind nur die Outputs der letzten Monate — und nun präsentiert Exil eine veritable Gil-Rarität. Im Teamwork mit Carlinhos Brown schuf er eine ungewöhnliche Ballettmusikzum 300. Todestag des afro-brasilianischen Führers Zumbi.

Zumbi (sprich "sum’bi") — hinter diesem klangvollen Namen verbirgt sich ein wichtiger Abschnitt afro-brasilianischer Geschichte. Schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts gründeten entlaufene Sklaven in einer bergigen, palmenbestandenen Region im Innern Pernambucos eine Siedlung. Durch die folgenden Jahrzehnte wuchs die Fluchtstätte zum Quilombo Palmares, einer Tausende von Schwarzen beherbergenden Republik aus mehreren Städten an, die die portugiesischen und holländischen Kolonisatoren in unzähligen Angriffen nie vollständig zerschlagen konnten. In Palmares lebte eine multiethnische Gemeinschaft: neben den vorrangig aus Angola stammenden Afrikanern, fanden sich ebenso Indigene und ehemalige Kolonialherren, die von den Schwarzen gefangen genommen worden waren.

Führer der Armeen gegen die Portugiesen war der legendäre Francisco Zumbi, sein Name leitet sich aus einem Begriff des Ahnenkults ab. Zumbi verteidigte die Freiheit der afrobrasilianischen Republik erbittert gegen die Portugiesen, als der ehemalige König Ganga-Zumba sich ergeben hatte, wurde 1680 Häuptling von Palmares, das er mit diktatorischer Härte führte. Trotz der durch portugiesische Quellen bezeugten "großen Geistes, raren Beständigkeit, Fleiß und Stärke" Zumbis fiel der Staat im Staate 1694, sein Führer wurde wenig später aufgespürt und geköpft.

1978 schließlich wurde am Todestag Zumbis, dem 20. November, der offizielle Tag schwarzen Bewusstseins in Brasilien etabliert. Zumbi ist heute ein Nationalheld Afro-Brasiliens, zugleich Symbol der Hoffnung auf einen Staat frei von rassistischen Tendenzen. Gerade in der Popularmusik wird auf ihn in unzähligen Stücken rekurriert und die wichtigste Rockband Pernambucos, die Nação Zumbi, einst gefrontet durch den charismatischen Manguebeat-Begründer Chico Science, trägt seinen Namen.

Im Jahre 1995 fanden sich etliche Koriphäen der brasilianischen Musikszene zusammen, um ein Ballet zum 300. Todestag Zumbis zu kreieren. Als die MPB-Ikone Gilberto Gil gerade in den Aufnahmen zu seinem Album "Quanta" steckte, kam von Ivonice Satie, der Direktorin des Balé da Cidade de São Paulo, eine nicht alltägliche Einladung. Das Ballett hatte gerade die senegalesische Choreografin Germaine Acogny verpflichtet, um eine Zumbi-Reverenz zu entwerfen. Gils Aufgabe war es nun, zusammen mit Bassist und Produzent Rodolfo Stroeter die Musik zu entwickeln. Noch in den vorbereitenden Gesprächen einigte man sich darauf, das baianische enfant terrible Carlinhos Brown für den perkussiven Akzent des Soundtracks zu gewinnen.

In vier Aufnahmesessions entstand eine eindrückliche Klangspur, die von intuitivem Charakter bestimmt ist. Lautmalerisch agierend schlüpft Gilberto Gil mit Haut und Haar in die Rolle des Zumbi, intoniert mysteriös-kultische Gesänge, sein Heulen, Brüllen und Schreien entfaltet sich über Browns perkussiven Mustern, die manchmal kriegerische, manchmal lyrische Färbung besitzen. Ein besonderer indigener Akzent wurde anschließend noch von der Indio-Künstlerin Marlui Miranda beigefügt.

Im Soundtrack des schließlich "Z" benannten mehrdimensionalen Spektakels verschmelzen Körperliches und Musikalisches. Dies alles dank der Unendlichkeit brasilianischer Klangrealitäten, mit der die Komponisten eine fruchtbare Brücke vom Primitiven zum Zeitgenössischen schlagen. Nach sieben Jahren liegt die ursprünglich nicht zur separaten Veröffentlichung bestimmte Bühnenmusik nun endlich doch auf CD vor.

 

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