Putumayo Presents:

Latin Groove

 

EXIL 1473-2
LC 08972
VÖ: 11.03.2002

DISTRIBUTION: INDIGO

 

Die moderne Lateintanzstunde

 

Die Musica Latina steht derzeit an einem kuriosen Scheideweg. Nie drangen derart viele Hits mit latin flavour weltweit in die Charts, die sich jedoch recht schnell als internationale Pop-Attrappe mit permanent gleich hämmernder Percussionspur entpuppen. Parallel zu Jennifer Lopez, Enrique I. oder Sharika allerdings hat sich in den letzten fünf Jahren auch "the real thing" etabliert. Nicht nur dank Manu Chao werkelt beiderseits des Atlantik eine "alternative" Latino-Szene, die ihre Wurzeln beim Schopf packt und originell HipHop, Electronica, Funk und Jazz mit den traditionellen Rhythmen des Son, Salsa, der Cumbia und der Bossa verzwirbelt. Zwischen Bogotá und Barcelona, zwischen California und der Costa Brava vibriert in Clubs und Konzerthallen eine Mestizo-Kultur, an der sich auch immer mehr faszinierte DJs aus kälteren Breiten beteiligen. Putumayo präsentiert die Helden dieser new Latin Grooves.

Man nennt ihn den karibischen Quincy Jones: Ronald Rubinel aus Martinique steht in der Pariser Ethno-Szene beileibe nicht nur am Mischpult. Bei der Zouk-Legende Kassav drehte er die Knöpfchen und engagierte sich für ein weites Spektrum afrikanischer Stars, unter ihnen Koffi Olomide und Cesaria Evora. Sowohl der haitianischen als auch der Reggae-Szene hat er durch seine "Kolor"-Projekte frischen Atem eingehaucht. Neuerdings streckt er seine Ohren Richtung Cuba aus, um mit den angesehensten HipHoppern der Zigarreninsel, vereinigt unter dem Namen Barrio Cubano, eine würzige Synthese aus Hispano-Rap und afrokubanischem Son zu kreieren. Selbst ein Guajira-Klassiker wie Guillermo Portabales’ "El Carretero" verliert mit den satten Beats und harschen Rapzeilen unter Rubinels Kommando nichts von seiner ursprünglichen Würde.

Ebenfalls nach Cuba zog es den französischen Produzenten Jean Claude Gué, wo er mit Eduardo Lazaga, Gründungsmitglied von La Charanga Habanera, ein Fusion-Kollektiv ins Leben rief. Sin Palabras tänzeln seitdem auf einer abenteuerlichen Gratwanderung zwischen der rituellen Santeria-Percussion, elektronischen Zutaten und Elementen der Timba, einer derzeit beliebten Salsa-Abart. Die Elektro-Timba "Salsita", ein Outtake ihres dritten Albums, featured die Vokalistin Yaimi Lay, Enkelin der Orquesta Aragón-Legende Rafael Lay.

Ein weiterer europäischer Aficionado der Musica Latina siedelte vor 10 Jahren nach Kolumbiens Hauptstadt Bogotá über. Nach diversen Jobs in Peter Gabriels Real World Studios tauchte Richard Blair tief in Kolumbiens Klangozean ein, produzierte für Cumbia-Rocker Carlos Vives und hob sein eigenes Baby aus der Taufe: Sidestepper. "Linda Manigua", ein Highlight aus dem zweiten Album des Projekts, vereint die tribale Seite europäischer Clubkultur mit den schwarzen Wurzeln Lateinamerikas. Die tieftönenden Dubs geben die ideale Leinwand ab für die ans Westafrikanische angelehnten Verse - sie künden von einem heiligen Ort, an dem die Geister sich versammeln. Vocals steuert Andrea Echeverri bei, Leadsängerin von Los Aterciopelados.

Just für jene kolumbianische Rockband schwang Sidestepper Blair auch schon das Produzenten-Zepter. Mariachi, Bolero, Son und Flamenco - vor nichts machen Los Aterciopelados halt, wenn es darum geht, die Rhythmen der Latinos in ein hippes Rockgewand mit anspruchsvollen Texten zu kleiden. Mehrere Grammy-Nominierungen geben ihrem grenzüberschreitenden Konzept Recht. Neckische Trompeten-Intermezzi und die glitzernde kubanische Tres koppeln sie in "El Estuche" mit funkigem Groove und schwerem Hiphop-Beat, während Echeverri in ihren Lyrics den schönen äußeren Schein anprangert, Käfig für eine gefangene Seele.

 

Los Mocosos sind alte liebe Bekannte bei Putumayo - sie sorgten schon für akustischen Zunder auf "Mo’Vida" und der "New World Party". Aus dem gleichen Barrio wie einst Carlos Santana, dem Mission District San Franciscos, stiegen die "Rotznasen" empor, um der Welt ihren ungeschliffenen Mix aus mexikanischen Melodien, Hiphop, Ska, Boogaloo und US-Rock zu präsentieren. Wert legen sie darauf, daß ihr Barrio sowie ihre Musik kein Latin-Ghetto widerspiegelt: "Es ist ein fruchtbarer Boden, auf dem Iren, Asiaten und Latinos zusammen leben", stellt Bassist Happy Sanchez klar. Und in "Soy Callejero" preist Sänger Manny Martinez ohne falsches Sebstbewußtsein die Straßenherkunft seiner Band - eine deftige Salsarock-Nummer mit einem unverkennbar Richtung Carlos Santana grüßenden E-Gitarren-Solo.

Seit dem Boom des Buena Vista Social Clubs haben sich etliche Bands an einer Alternativ-Version von "Chan Chan" versucht. Die Erkennungsmelodie der alten Herren aus Havanna, komponiert von Compay Segundo, wurde hier einer funky Metamorphose durch Doumé Gaspari unterzogen, seines Zeichens kreatives Zentrum von El Conjunto Massalia. Die achtköpfige Salsa-Band aus Marseille ist ein Abbild der brodelnden Mittelmeer-Metropole, die in ihrer wechselvollen Geschichte stets Kreuzungspunkt der Kulturen war und heute, allein durch die algerische Szene und die Heimat der Rumba-Gitans, eine Vorreiter-Rolle in Frankreichs Weltmusik-Szene einnimmt.

Doch auch vom anderen Ende Frankreichs, aus der Industrie-Stadt Lille im Norden Frankreichs, tönen Latin-Grooves. DJ Christophe "Housatonic" Cloiseau und Bassist Eric "Dudu" Durieux, aka Funkanzazenji, haben ihre Vorliebe für Jazz, Funk, Worldmusic, Reggae und Dub in ein höchst originelles Elektronik-Projekt umgemünzt, das intime Clubsounds beherbergt und demnächst mit einer ersten EP an den Start gehen wird. Vorbote ist "Latin Flavour", ein introvertierter Hybrid aus Hiphop-Attitüde, Flamenco-Claps, einem betörenden Harfen-Riff und prägnanten Samples aus dem Nahen Osten auf Oud und Keyboard.

Si*Se repräsentieren die alternative Latin Music des Big Apple.1999 wurde die charmante Formation von Sängerin Carol C. mit Wurzeln in der DomRep und dem Brooklyn-DJ U.F.LOW ins Leben gerufen und wirft seitdem alle Klänge des urbanen Alltags New Yorks in einen großen Kessel, von Hiphop über lateinamerikanische Rhythmen bis hin zu Electronica. Heraus kommt eine eingängige, tanzbare Mélange mit elegantem Flow, wie sich auf "Bizcocho Amargo" zeigt —auch wenn das Thema hier eine bittere Liebesgeschichte ist.

Ansonsten eher auf den Terrains Deep House und Minimal Techno unterwegs, schnappt sich der Stuttgarter DJ Michael Baumann unter dem Pseudonym Supatone hin und wieder auch ein paar Latin-Zutaten für seine Soundkreationen. In "Yorulamenta" treffen Extrakte eines Montuno, des charakteristischen Piano-Riffs aus dem kubanischen Son, auf Charanga-Violinen, handgemachte Afro-Percussion und zurückgelehnte programmierte Sounds für den Dancefloor.

Enttäuscht von den Ergebnissen der Revolution verließ Carlos De Nicaragua die Heimat und kam nach Paris, wo er neuen Nährboden für seine musikalischen Wurzeln fand. Carlos’ Hometown Bluefields an der atlantischen Küste Nicaraguas war stets der Karibik zugewandt gewesen, hatte Calypso, Soca und vor allem Reggae gepflegt, und mit diesem Rhythmus stellte der Emigrant in den 80ern die Seine-Metropole auf den Kopf. 1994 schließlich gab er ein kurzes Gastspiel bei Mano Negra, um sich dann mit neuer elfköpfiger Band einer Koppelung von Raggamuffin, Dancehall und Latin Grooves zu verschreiben. "Sensamaya" ist eine Ragga-Fanfare dieser neuen Phase aus Carlos‘ musikalischem Schaffen und fusioniert Salsa mit Reggae über afrikanisch gefärbten Lyrics.

Seit 1995 sind Ozomatli, benannt nach dem akztekischen Gott des Tanzes, das Aushängeschild der latin culture von L.A. und können als Brüder im Geiste von Los Mocosos gelten. In ihrem musikalischen Mix aus Rap, Funk, Ska, Reggae, Salsa, Son, mexikanischen Sounds und provokanten Texten sprechen die Musiker aus der Arbeiterschicht vom Leben der sozial Schwachen. "Cumbia De Los Muertos" kündet über eindrücklichem Rap und wirbelnden Scratches vom Ende des Gewaltzirkels und einer mystischen Vision, in der sich Lebende und Tote im Tanz vereinen.

Wenn Latin Groove eines beweist, dann wohl die Tatsache, dass die Putumayo-Crew mit ihrem Latein noch lange nicht am Ende ist, sondern kredibel neue Stile und Zielgruppen anzusteuern vermag. Jedenfalls präsentiert uns das New Yorker Label hier die derzeit spannendesten Resultate urbaner Cross-Culture Begegnungen zwischen verschiedenen Latino-Generationen und global denkenden DJs.

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